In Seminarhotels fanden die Klausuren der UHS vor den Wahlen für die Landesschülervertretung statt.

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Linz – Wer an das Klausurwochenende einer Schülerorganisation denkt, stellt sich wohl nicht solche Szenen vor: stundenlanges Redetraining, bei dem man mit Bällen beworfen, beleidigt, angeschrien und in Klebeband eingewickelt wird. Bei dem Schülern zur Demütigung Nutella ins Gesicht geschmiert wird. Genau das schildern aber ehemalige Funktionäre der Union Höherer Schüler (UHS), dem oberösterreichischen Ableger der ÖVP-nahen Schülerunion, im Gespräch mit dem STANDARD.

Demnach sei es bei Klausuren, die in den Wochen vor der Wahl zur Landesschülervertretung 2018 stattgefunden haben, auch zu "massivem strategischem Schlafentzug" gekommen: "Wir mussten bis in die Morgenstunden unsere Reden halten und stundenlang stehen. Sie haben uns ins Bett geschickt und eine Stunde später wieder aus dem Schlaf gerissen", sagt eine Betroffene, die anonym bleiben will. Nach einem Tränenausbruch sei ihr das verschreibungspflichtige Konzentrationsmittel Ritalin angeboten worden.

Ausführliche Infos über Schulsprecher

Der Schlafentzug und die Demütigungen hätten das Ziel verfolgt, "unseren Willen zu brechen. Uns dazu zu bringen, nicht mehr dagegen zu reden", sagt die Ex-Funktionärin. Die übergriffigen Methoden seien auch von Benedikt Neuhuber und Florian Berger, heute UHS-Landesobmann und -geschäftsführer, ausgegangen. Die UHS bestreitet alle Vorwürfe.

Im Bemühen um die Stimmen von Schulsprechern bei der Wahl in der letzten Schulwoche sei die UHS außerdem streng systematisch vorgegangen, berichten die Insider: Demnach sei das Team aufgefordert worden, alle Schülervertreter dreimal zu besuchen. Dabei erhaltene persönliche Informationen seien in Berichten festgehalten und auf einer zentralen Plattform gesammelt worden. Insgesamt habe es in einem Jahr zu mehr als 370 Personen Berichte gegeben, die zur Koordination im Wahlkampf verwendet worden seien.

"Der Schülervertreter soll dich mögen!"

Dem STANDARD liegt ein fünfseitiger Gesprächsleitfaden vor, mit dem UHS-Mitglieder auf die Gespräche vorbereitet werden – darin wird ihnen empfohlen, mit Smalltalk zu beginnen ("Wie war deine Schularbeit?", "Und habt ihr das Fußballmatch gewonnen?"), um dann zum eigentlichen Thema überzuleiten ("Jetzt hätte ich fast vergessen, wieso ich eigentlich angerufen habe ..."). Wichtig sei es jedenfalls, "sich auf emotionaler Ebene zu verstehen, der Schülervertreter soll dich mögen!".

Um die Schulsprecher nachhaltig an die UHS zu binden, seien zweimal jährlich "Soft-Skill-Seminare" abgehalten worden. Dabei seien einerseits wieder Informationen über die Schülervertreter gesammelt und analysiert worden; andererseits sollten die Schüler offenbar für die UHS indoktriniert werden: "Zu Mitternacht, wenn die UHS ihre Hymne singt, bekommt man die klare Anweisung, keinen Schülervertreter gehen zu lassen", berichtet ein Zeuge: "Auch selbst darf man vor Mitternacht den Raum nicht verlassen."

Nach ihrem Ausstieg hätte die UHS illegal auf den E-Mail-Account bei der offiziellen Landesschülervertretung der Ex-Funktionärin zugegriffen, um eine Mail abzufangen. Die Betroffene hat deswegen bereits ihren Anwalt eingeschaltet.

UHS-Chef sieht "Schmutzkübelmethoden" vor der Wahl

In einer Stellungnahme erklärt UHS-Chef Neuhuber, dass "speziell in den letzten Wochen des Wahlkampfs intensive Seminare angeboten" würden. Die Organisation distanziere sich aber "mit aller Klarheit von diesen lächerlichen Vorwürfen, wie zum Beispiel, dass Ritalin ausgegeben wurde, es interne Plattformen gibt oder auf Seminaren Teilnehmer schikaniert werden. Wir können für uns ausschließen, dass Handlungen gegen den Willen von Teilnehmern stattgefunden haben."

Die Vorwürfe würden "gezielt zwei Tage vor der Landesschülervertretungswahl in Oberösterreich lanciert, um die UHS zu schädigen und Einfluss auf das Wahlergebnis zu nehmen". Es sei "schamlos, wie Schmutzkübelmethoden nun auch die Schülervertretungswahlen erreichen". Man behalte sich rechtliche Schritte vor.

Räumliche Nähe zur JVP

Schon im Vorjahr meldete sich ein Insider der Schülerunion beim STANDARD: Er erzählte von einem internen System, bei dem Funktionäre Punkte für Sex und Schmusen mit bestimmten Personengruppen gesammelt haben.

Ein weiterer Punkt im angesprochenen Gesprächsleitfaden betrifft das Naheverhältnis der Schülerunion zur ÖVP: Dieses soll abgestritten werden. Tatsächlich teilt sich die Schülerorganisation allerdings die Linzer Büroadresse mit der Jungen Volkspartei. (Sebastian Fellner, 25.6.2019)