"Ein Kind kann sich nicht aussuchen, in welche finanziellen Verhältnisse es hineingeboren wird" sagt Erich Fenninger, Bundesgeschäftsführer der Volkshilfe, bei einem Hintergrundgespräch zu den Themen Kinderarmut und Kindergesundheit. Gemeinsam mit dem Ärtztekammerpräsident, Thomas Szekeres, macht er sich für die Bekämpfung von Kinderarmut in Österreich stark.
Den beiden geht es um Chancengleichheit. Davon sei man jedoch noch weit entfernt, denn Kinderarmut sei in Österreich weitestgehend unsichtbar, und sollte viel stärker thematisiert werden, so Fenninger.
Schlechtes Essen
Dass Armut die Gesundheit beeinträchtigt, ist bereits wissenschaftlich belegt. Wie extrem sie sich auf die Gesundheit der Betroffenen auswirkt, ist jedoch erschreckend. "Die armen Kinder von heute sind die chronisch Kranken von morgen", sind sich Szekeres und Fenninger sicher. Kinder und Jugendliche, die von Armut betroffen sind, erkranken generell deutlich öfter als Gleichaltrige. Bei ihnen treten zudem deutlich häufiger Entwicklungsstörungen auf.
Dabei spielt die Ernährung der Kinder eine entscheidende Rolle. Da die Lebensmittel sowohl günstig, als auch ausgiebig sein sollen, um auch die ganze Familie satt zu bekommen, werden oft sehr kalorienreiche Nahrungsmittel und Fertigprodukte eingekauft. Diese Art der Ernährung wirkt sich negativ auf die Gesundheit der Heranwachsenden aus. Übergewicht und Adipositas sind die Folgen. Als Erwachsene erkranken sie dann vermehrt an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Gelenksbeschwerden, Diabetes und Bluthochdruck.
Feuchte Wohnung
Auch die Wohnsituation der Betroffenen trägt häufig zur Entstehung von Krankheiten bei. Die Wohnungen sind oftmals sehr klein, feucht und schlecht isoliert. Zudem fehlen nicht selten die finanziellen Mittel, um im Winter ausreichend zu heizen.
Durch die Kombination all dieser negativen Faktoren, weisen Kinder, die in Armut leben müssen, von Anfang an eine etwa sieben Jahre verringerte Lebenserwartung auf, wenn sie mit Gleichaltrigen verglichen werden, die nicht von Armut betroffen sind. Ganze sieben Lebensjahre trennen in Österreich arm von reich.
Den Anschluss verlieren
Zur Reduktion vermeidbarer chronischer Erkrankungen in der Bevölkerung, sei es nötig, vermehrt in die Gesundheitsvorsorge junger Menschen zu investieren. Bei den Ausgaben für Prävention liege Österreich jedoch deutlich unter dem EU-Durchschnitt, so Szekeres.
Auch der Gesundheitsunterricht an Schulen solle ausgebaut werden, um den Kindern wichtige Themen wie gesunde Ernährung näher zu bringen, wünscht sich der Ärztekammerpräsident. Dies sei wichtig, um die Folgeerkrankungen eines ungesunden Lebensstils zu verringern und so die Lebensqualität der Kinder zu verbessern.
Nicht nur die körperliche, auch die geistige Gesundheit wird durch Armut beeinflusst. Während Gleichaltrige nach der Schule an Sportkursen teilnehmen, oder gemeinsam ins Kino gehen können, sind armutsbetroffene Kinder stark eingeschränkt. "Oft erfinden die Kinder Ausreden, warum sie nicht mitkommen können, um zu verstecken, dass sie es sich einfach nicht leisten können", erzählt Fenninger. Das führe dazu, dass die soziale Kompetenz der Kinder sich nicht entsprechend entwickeln könne.
Das erste mal Urlaub
So wie die Volkshilfe, hat auch die Medizinischen Universität Wien die soziale Komponente der Kinderarmut als Problem erkannt und fungiert als Partner des Förderprojekts "Max & Lara". "Max und Lara" ist ein Projekt der Initiative NEIN ZU KRANK UND ARM, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die soziale Integration von Kindern aus armutsbetroffenen Familien zu fördern. So wird den Kindern etwa die Möglichkeit geboten, Theatervorstellungen zu besuchen, oder ein Fußballspiel zu sehen, um so am Sozialleben der Gleichaltrigen teilhaben zu können. Die Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde der Meduni Wien schickt unter dem Namen "Max & Lara fahren auf Urlaub", ausgewählte Familien, die an der Universitätsklinik betreut werden, auf einen Erholungsurlaub. Für einige, der teils schwer kranken Kinder, ist es der erste Urlaub überhaupt.
Geld für Zukunft
Um Kinderarmut nachhaltig zu bekämpfen, wünscht sich Fenninger eine Kindergrundsicherung, die die Kinder und Jugendlichen auch wirklich ohne Umwege erreicht. Momentan seien die Unterstützungszahlungen zu "intransparent und kompliziert", kritisiert er. Mit etwa zwei Milliarden Euro ließe sich die Kinderarmut in Österreich um etwa zwei Drittel reduzieren. "Das ist nicht viel mehr als der Familienbonus jetzt schon kostet", argumentiert Fenninger. Etwa 400 bis 500 Millionen Euro mehr müssten hier zusätzlich investiert werden. Ein kleiner Preis um Kindern eine lebenswerte Zukunft zu ermöglichen. (Katharina Janecek, 29.6.2019)