AKP-Anhänger bei der Verkündung des Wahlergebnisses.

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Nach der Wahlniederlage der islamisch-konservativen AKP bei der Bürgermeisterwahl in Istanbul beginnt die Partei mit ihrer Aufarbeitung. Als sicher gilt die Entlassung von Bayram Şenocak, dem AKP-Vorsitzenden in Istanbul. Binali Yıldırım, der als Spitzenkandidat keine gute Figur machte, soll dagegen zum Vizepräsidenten ernannt werden. Zudem will die Partei ihre Strategie grundlegend überdenken. So konnte Ekrem İmamoğlu von der kemalistisch-säkularen CHP mit integrierender Rhetorik gewinnen, während die AKP auf Spaltung, Verleumdung und Angstszenarien setzte.

In der Partei gärt es schon länger. Zwei Fraktionen kämpfen um Einfluss. Die eine sammelt sich um Berat Albayrak, den Schwiegersohn von Präsident Tayyip Erdoğan. Der Kreis um Albayrak soll es auch gewesen sein, der auf eine Wiederholung der Wahl in Istanbul gedrängt hat. Die zweite Fraktion gruppiert sich um Innenminister Süleiman Soylu, dem der Aufstieg Albayraks viel zu schnell ging. Kritik kommt auch aus der Wirtschaft, die sich in miserablem Zustand befindet.

Nicht gerüttelt werden soll allerdings an der Allianz mit der rechtsnationalistischen MHP. Die war zuletzt stark strapaziert worden, als die AKP im Wahlkampf um die Stimmen konservativer Kurden in Istanbul warb. Erdoğan aber braucht Devlet Bahçeli und dessen Nationalisten, ohne die der AKP die Mehrheit fehlt.

Nächste Wahl in vier Jahren

Zudem gibt es Spaltungstendenzen innerhalb der AKP. So will Ex-Außenminister Ahmet Davutoğlu eine neue Partei gründen, um eine islamischere Politik zu verfolgen. Ehemalige Parteigranden wie Ali Babacan und Ahmet Gül dagegen wollen sich auf wirtschaftsliberale Ideale der AKP besinnen und mit einer neuen Partei an deren Anfangsjahre anknüpfen. Bis zu 80 Abgeordnete könnten aus der AKP ausscheren.

Da das Land nun allerdings vier Jahren ohne Wahl entgegenblickt, dürften die Abspaltungen zunächst wenig Einfluss auf die türkische Politik haben. Für einen Abgesang auf die Ära Erdoğan ist es noch zu früh. (Philipp Mattheis aus Istanbul, 25.6.2019)