Schmetterlinge haben eine wichtige Rolle im Ökosystem.

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Im Gastkommentar sorgt sich der Initiator des Tierschutzvolksbegehrens Sebastian Bohrn Mena um den Bestand der Schmetterlinge in Österreich. Die Gründe für den Rückgang der Insekten sieht er in der Verbauung von Grünflächen und in der intensiven Landwirtschaft.

Es wird stiller in den Wäldern und auf den Wiesen. Das Artensterben ist in aller Munde, der notwendige Schutz der Biene mittlerweile Konsens. Auch das "Windschutzscheibenphänomen" ist längst ein Diskussionsthema. Menschen teilen ihre persönlichen Beobachtungen, wonach sie heute viel weniger Insekten auf den Frontscheiben ihrer Autos vorfinden als früher. Nostalgie, Hysterie oder faktenbasierte Realität?

Seit Beginn der Messungen im Jahr 1970 sind die untersuchten Tierbestände um 60 Prozent zurückgegangen. Das ist das Ergebnis des Living Planet Reports des WWF. Eisbären, Orang-Utans und Schildkröten gehören demnach zu den größten Verlierern und sind akut gefährdet. Das hat mehrere Gründe, die unter Klimakrise und Zerstörung natürlicher Lebensräume subsumiert werden. Global kann eine hohe Bedrohungslage der Artenvielfalt konstatiert werden, die auch Österreich längst erreicht hat. So zeigt eine Untersuchung des WWF in Zusammenarbeit mit der Universität für Bodenkultur, dass zwischen 1986 und 2015 die untersuchten Wirbeltierbestände auch in Österreich um rund 70 Prozent zurückgegangen sind.

Desaströser Kreislauf

Mehr als 4.000 Schmetterlingsarten gibt es laut Global 2000 in Österreich – eine europaweit herausragende Diversität. Noch, denn mehr als die Hälfte von ihnen gilt mittlerweile als mehr oder weniger stark gefährdet und befindet sich auf roten Listen. Erschreckend auch ein Blick in das österreichische Artenschutz-Informationssystem Oasis 2.0.

Schmetterlinge sind neben Bienen und Hummeln die wichtigsten Insekten, wenn es um das Bestäuben geht. Und sie spielen selbst im Nahrungsnetz der Natur eine überragende Rolle – der überwiegende Teil der Vogelarten benötigt sie nämlich als Futterquelle für sich oder den Nachwuchs. Ihre drastische Reduktion ist also auch unmittelbare Gefahr für die Artenvielfalt bei Vögeln.

Die Gründe dafür sind in erster Linie in einer Verbauung von Grünflächen und vor allem in der intensiven Landwirtschaft zu finden. Die Ausbringung immer höherer Mengen an Gülle, die extrem starke Düngung der Felder, führt zu einem hohen Stickstoffgehalt in der Natur – und damit zu einem Niedergang der für Schmetterlinge wichtigen Futterpflanzen. Ein desaströser Kreislauf wird in Gang gesetzt, wenn die Naturwiesen verschwinden.

Um sie zu schützen, muss nicht nur der Pestizideinsatz radikal geändert werden, sondern auch das landwirtschaftliche System der Lebensmittelproduktion einen Wandel erfahren. Eine tier- und umweltgerechte Landwirtschaft, wo Blühstreifen ihren Platz haben und Produktionsweisen nicht nur nach dem Gesichtspunkt der Profitmaximierung betrachtet werden. Zudem gilt es natürliche Lebensräume zu bewahren, die nicht als Inseln zwischen bebauten Flächen angelegt, sondern als zusammenhängende Gebiete geschützt werden.

Rolle der Politik

Der Staat hat eine Reihe von Möglichkeiten, ein ganzes Instrumentarium lenkungspolitischer Maßnahmen zur Beeinflussung der Entwicklung, die er nun dringend nutzen sollte. Das Tierschutzvolksbegehren plädiert dafür, etwa nur jene (land-)wirtschaftlichen Prozesse verstärkt zu fördern, die sich in diesem Sinne positiv auf Menschen, Tiere und Umwelt auswirken – über gezielte Besteuerung, Subventionierung und Förderung. Und auch durch eine Umstellung der öffentlichen Beschaffung können bedeutsame Impulse gesetzt werden.

Im Verfassungsrang haben wir uns zu Tier- und Umweltschutz verpflichtet. In der gelebten Praxis sieht es leider ganz anders aus. Während die europäische Migrationspolitik maßgeblich vom "kleinen Österreich" beeinflusst wird, nutzen wir das Einstimmigkeitsprinzip in Fragen der Landwirtschaft so gut wie nie. Dabei geht's mittlerweile ums Überleben. Das der Schmetterlinge, Bienen und Insekten, aber auch der heimischen Bauern.

Und wenn nicht bald gehandelt wird, werden wir nicht nur die volkswirtschaftlichen Folgekosten der Klimakrise beklagen – Prognosen gehen von bis zu acht Milliarden Euro jährlich in Österreich im Jahr 2050 aus. Wir werden auch zusehen müssen, wie unsere Kinder und Enkelkinder in einer Welt groß werden, in der sie einen zerstörten Lebensraum und massiv geminderte Entwicklungschancen vorfinden, weil Umweltkatastrophen ihren Alltag dominieren. Das Horrorszenario ist hinreichend belegt. (Sebastian Bohrn Mena, 25.6.2019)