Werktags in Spielberg. Ein Reisebus entlädt seine neugierige Fracht vor dem Welcome Center, in dem es ein Café gibt, einen Haufen Prospekte von mehr oder weniger Sehenswertem aus der Umgebung sowie Rennautos und -motorräder mit Geschichte samt einschlägigen Devotionalien. Der Parkplatz davor ist erstaunlich gut gefüllt, und das pflegt er nahezu immer zu sein. Das Projekt Spielberg, dessen Herzstück die Formel-1-Rennstrecke namens Red-Bull-Ring darstellt, hat keine Schließtage, steht 365 Tage im Jahr offen, in Schaltjahren sogar 366.

Zwischen dem einstigen Flugfeldrennen und der heutigen Rennsport-Erlebniswelt liegen Welten. Und das Herzstück des Projekts Spielberg ist die Formel-1-Strecke, der Red-Bull-Ring.
Foto: Red Bull Content Pool / Matthias Heschl

Auf einer der vielen kleineren Rennstrecken im Gelände fahren gerade KTM X-Bows um die Wette. Der Fuhrpark umfasst mittlerweile mehr als 100 Geräte, mit denen sich Motorsportgeneigte unter Aufsicht von Instrukteuren auf abgesicherten Spielplätzen austoben können. Sofern sie rechtzeitig einzahlen. Auf vier Rädern reicht die Palette vom Gokart bis zu Geländeautos, vom Nascar bis zum Formel-Wagen, auf zwei Rädern von der Trial- bis zur Straßenmaschine. Selbst auf Kufen kann man sich vergnügen, mit dem Schneemobil ist das naturgemäß aber nicht 366 Tage im Jahr möglich, nicht einmal 365. Asphalt, Schotter und Gatsch stehen permanent zur Verfügung. Wer will, darf sich auch sein eigenes Lieblingsspielzeug mitbringen und ungestraft schauen, was weiter geht.

Tempolimit 30

Vom Keller des Welcome Centers führt ein unterirdischer Gang – den gab es schon vor der Geburt Red Bulls, wenn auch nicht so gestylt – unter der Haupttribüne hindurch ins Fahrerlager. Der steht ebenso jedem offen wie der Straßentunnel unter der Rennstrecke, der ins Innere führt. Das Befahren der Privatstraßen ist bis auf Widerruf gestattet, es gelten die StVO und ein Tempolimit von 30 km/h. Das spielt es freilich nur, wenn keine Großveranstaltung angesagt ist.

Am 30. Juni um 15.10 Uhr wird auf dem Ring der Große Preis von Österreich gestartet. Der fünffache Weltmeister Lewis Hamilton und sein Mercedes kommen als WM-Führende in die Steiermark. Dass der Vorverkauf heuer besser läuft als in den vergangenen Jahren, ist aber auch Max Verstappen zuzuschreiben. Und es liegt weniger daran, dass Verstappen im Vorjahr einen Heimsieg im Red-Bull-Auto feierte, sondern daran, dass er Niederländer ist.

Oranjes

Die Niederländerin und der Niederländer sind sportaffin, feuern nicht nur Kicker und die tollen Eisschnellläufer an. 20.000 Landsleute besorgten sich im Vorverkauf Tickets, um dem rasenden Max zuzuschauen. Doch auch jene, die nicht vorsorgten, können sich getrost auf den Weg machen. Zumindest Stehplätze sind an der Tageskassa garantiert vorhanden, versichern die Veranstalter. Macht 95 Euro fürs gesamte Wochenende. Das gilt natürlich nicht nur für Niederländerin und Niederländer, die trotz Max in der Unterzahl sind. 200.000 Besucher werden über das gesamte Wochenende erwartet. Beim nächsten Highlight, dem MotoGP am 11. August, dürften es noch mehr sein.

Das Programm beginnt am Donnerstag mit dem sogenannten Public Pitlane Walk, dem Spaziergang durch die Boxenstraße, da lässt sich gewiss das eine oder andere Selfie machen. Am Freitag trainiert die Formel 1, zudem gibt's Trainings für die Rahmenbewerbe, wie Formel 2, Formel 3, Porsche Supercup. Am Samstag, am Abend nach dem Qualifying, musizieren Thorsteinn Einarsson, The Bosshoss und Wanda, die Konzerte sind im Eintrittspreis inbegriffen.

Concorde Agreement

Was die Formel 1 betrifft, wird mit sechszylindrigen 1,6-Liter-Hybridmotoren musiziert. Das Drehzahllimit liegt gegenwärtig bei 15.000 Umdrehungen. Eine gröbere Regeländerung steht erst 2021 an, denn 2020 läuft das Concorde Agreement zwischen den Teams, der Formel 1 und des internationalen Automobilverbandes FIA aus.

Das US-Unternehmen Liberty Media, das sich 2016 um kolportierte vier Milliarden Euro die in der WM für Werbung und kommerzielle Verwertung zuständige Formula One Group zulegte, will den Sport attraktiver machen. Seit gefühlten Ewigkeiten und also lang vor Liberty Media wird daran getüftelt, wie man es schafft, für mehr Überholmanöver zu sorgen.

Gesteigerte Attraktivität wollen die FIA und die Teams natürlich auch, schließlich geht es allen Beteiligten darum, ihr Werk so gewinnbringend wie nur möglich zu verkaufen. Doch es ist traditionell nicht leicht, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Einig scheint man sich, was den Sound betrifft. Das Drehzahllimit soll auf 18.000 Umdrehungen angehoben werden, was die Hörbarkeit erheblich erhöhen würde. Über Budgetobergrenzen wird auch traditionell gesprochen, um den Anteil des Fahrers am Erfolg zu erhöhen und die Kosten zu reduzieren.

Letztlich handelt es sich um die Annäherung an die Quadratur des Kreises. Denn es liegt im Wesen des Rennsports, dass sich jene, die vorn wegzufahren pflegen, gar nicht gern überholen lassen. Wie auch immer, der Ring beinhaltet sechs Rechts- und zwei Linkskurven und misst 4318 Meter. (Benno Zelsacher, 29.6.2019)