In den Hügeln des Piemont, wo die Alpen auslaufen und die Nebbiolo-Traube Landschaft und Leute prägt, setzen alle auf Wein. Alle? Nein. Denn inmitten der von Rebzeilen durchzogenen Hügel gibt es ein kleines Fleckchen, an dem keine Trauben wachsen. Obwohl das, was dort gedeiht, auch ein Weinmacher bewirtschaftet.

Er heißt Guido Martinetti und baut auf der Mura-Mura-Farm zwischen Langhe und Monferrato Pfirsiche, Feigen, Birnen und Marillen an. Auch die Rezepte für das beste Eis der Welt entwickelt der Turiner. Denn das war der Anspruch der beiden besten Freunde, Guido Martinetti und Federico Grom, als sie 2003 ihre Jobs an den Nagel hängten und beschlossen: Wir machen Eis, wie es früher war. Das beste Eis der Welt, ohne Geschmacksverstärker, Farbstoffe und Emulgatoren, mit einem weit höheren Anteil der namensgebenden Zutat wie zum Beispiel Erdbeere als üblich.

Eis ist eben nicht gleich Eis.
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Die Welt nicht neu erfinden

Dass man im Jahr 2003 mit Gelato aus Italien freilich keine neuen Wege beschreiten kann, war den beiden klar. Auch dass nicht messbar ist, welches tatsächlich das beste Eis der Welt ist. Die Tatsache, dass Grom-Eis nach seiner Geburt in einem 25-Quadratmeter-Laden in Turin heute in 81 Läden von Paris über London bis New York über den Tresen wandert, lässt allerdings vermuten, dass der Geschmack so übel nicht ist.

Dafür gibt es vor allem einen Grund: die einmalige Kombination der Stärken der beiden besten Freunde, die einander ergänzen, wie man es zumindest im Gelato-Geschäft bis dato noch nicht gesehen hat.

Federico Grom (li.) und Guido Martinetti aus Turin machen im Piemont keinen Wein, sondern Gelato.
Foto: Grom

Denn während der eine, der Weinmacher Martinetti, als Produkt- und Sensorikfreak schlechthin nicht aufhören kann, immer bessere Produkte zu finden, und an Rezepturen tüftelt, managt Federico Grom das Business, von der Expansionsstrategie bis hin zum Personal und zur Standortsuche. Den Durchbruch brachte den beiden schon im Gründungsjahr ein Artikel in der Zeitung La Stampa von Slow-Food-Gründer Carlo Petrini.

Denn als dieser schrieb: "In Turin auf der Piazza Paleocapa gibt es einen Eiscreme-Shop, der das beste Pistazieneis produziert, das ich je gegessen habe", wollten dieses Gelato alle kosten. Und Guido Martinetti sowie Federico Grom stiegen nach dem nächtlichen Eiertrennen und Eisanrühren – tagsüber waren sie ja noch in ihren eigentlichen Berufen tätig – voll ins Gelato-Geschäft ein.

Probieren geht über studieren

Businessplan und Marketingstrategie, all das war durch den von Grom losgetretenen Hype um "echtes Gelato" schnell irrelevant. Alle wollten Grom. Überall.

Die Probe aufs Exempel lässt auch keinen Zweifel daran, warum: Pistazien-Gelato zum Beispiel ist Konzentration pur. Ein Kraftlackel in Eisform. Feine Konsistenz am Gaumen – ein Gelato mit viel Körper, würde der Weinmacher sagen. Das ist dem hohen Pistazienölanteil geschuldet, der wiederum auf die große Menge an Pistazien im Grundrezept zurückzuführen ist. Das Erdbeereis kommt nicht minder intensiv daher und hält den geschmacksforcierten Glückslevel hoch.

Allerdings in weniger körperreicher Form, sondern vielmehr auf filigrane Weise. Um in der Weinsprache zu bleiben: Erdbeer ist ein eleganter, fragiler Pinot Noir unter den Eissorten, während Pistazie eher einen samtigen kraftvolleren Malbec mimt. Das Erdbeereis von Grom ist eine Cuvée aus Annabelle und Senga.

Zwei Erdbeersorten, jede mit einer anderen Aufgabe: Annabelle zeichnet für die Struktur und Farbe, Senga für den Geschmack nach Walderdbeeren verantwortlich. Nicht anders als beim Wein trägt jeder Cuvéepartner seinen Teil bei. Und doch sehr anders, als es in der Gelato-Welt bis zur Ankunft von Martinetti und Grom war.

Dem Obst sein Zuhause

Auf der Mura-Mura-Farm testet Martinetti die Cuvéepartner für seine Eissorten von der Melone bis zur Erdbeere in Versuchsgärten. Den Bedarf an Pfirsichen, Feigen, Birnen und Marillen deckt die 20 Hektar große Fläche komplett. "Unser Erfolgsgeheimnis liegt in erster Linie in der 'materia prima', der Qualität der Grundzutaten", erklärt Guido Martinetti. Da kennt der ehemalige Weinmacher keine Kompromisse. Denn nur weil Senga und Annabelle im Erdbeereis-Jahrgang 2019 gut funktionieren, heißt das nicht, dass das 2020 auch so sein wird. Schließlich sei jeder Jahrgang anders. Und daher nicht jede Erdbeersorte zu jeder Zeit geeignet. Ebenso wenig, wie jede Pflanze auf jedem Boden gleich gute Früchte trägt.

"Für Erdbeeren, Pfirsiche und Co eignen sich Klima und Boden im Piemont gut", sagt Martinetti. Sie fühlen sich wohl auf dem ehemaligen Weinberg. Natürlich ist es nicht das günstigste Fleckchen, um Obst anzubauen, aber schlichtweg eines der besten, ist der Gelataio Martinetti überzeugt. Und weil die besten Zitronen in Sizilien wachsen, kommen auch diese ins Grom-Gelato. Auch die Beziehung zu Schokoladen- und Kaffeelieferanten baut auf einer Prämisse auf: höchstmögliche Qualität.

Mehr Fruchtanteil und keine Aromen, Emulgatoren oder Farbstoffe. Das ist das Geheimnis von Grom.
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"Es ist gleich wie beim Wein: Aus guten Trauben kannst du schlechten Wein machen, aber nie aus schlechten Trauben einen guten. Ebenso wenig wie aus schlechten Erdbeeren ein gutes Eis", erklärt Martinetti. Um diese Qualität an allen Standorten zu halten, zentralisierten die beiden die Produktion bald in Mappano nahe Turin. "So schmeckt das Eis in Schanghai heute garantiert gleich wie in Turin", erklärt Federico Grom. "Nur die Luft, die in den Shops direkt hineingerührt wird, ist eine andere", lächelt er. Denn produziert wird alles in Mappano.

Die Produktion fällt übrigens kleiner aus, als man vermuten würde bei einer Kapazität von 3.000 Kilogramm Eis pro Stunde und 53 Läden allein in Italien sowie weiteren 28 Dependancen von Dubai bis Miami – ganz abgesehen von der Produktion des abgepackten Eises, das seit 2018 zum Glück auch in österreichischen Kühlregalen vertreten ist. Auf kleinem Raum passiert hier Arbeit im Akkord.

Hygienerichtlinien und Lieferfristen müssen natürlich eingehalten werden, erklärt Sensoriker Andrea, der mit Guido Martinetti an Rezepten tüftelt. Sein Bart wie auch sein Haupthaar ist penibel genau in Haarnetze eingepackt. Als die Frage auf den Ideendrang des Firmengründers kommt, stöhnt er lächelnd. Qualität ist eben nicht der leichteste Weg. Aber er macht sich bezahlt.

Nicht umsonst prangt als Firmenmission am Eingang des Unternehmens: "Bleib pur. Bleib ehrlich." Denn nur so kann man Eis machen, wie es einmal war. "Il gelato come una volta", wie es auf jedem Becher von Grom geschrieben steht und wie Guido Martinetti und Federico Grom es vor 16 Jahren beschlossen haben. (Nina Wessely, RONDO, 1.7.2019)

Die Reise nach Turin erfolgte mit Unterstützung von Grom.