"Vielleicht heben wir den Applaus bis zum Ende meiner Aufzählung auf, denn es kommt noch einiges": Der Appell, den die scheidende Wiener Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) am Mittwoch an den Gemeinderat richtete, wurde von den Mandataren der rot-grünen Koalition nicht erhört. Es hagelte stets Beifall. Bei ihrer letzten Verabschiedung stimmte gar ein großer Teil der Opposition ein.
Die Liste an Projekten, die sich in Vassilakous Amtszeit angesammelt haben, ist lange. Da steht die Verbilligung der Jahreskarte für die Wiener Öffis auf 365 Euro, die Ausweitung der Tempo-30-Zonen und des Parkpickerls, die Umgestaltungen der Mariahilfer Straße und des Stephansplatzes oder die Stadtentwicklungsgebiete in der Seestadt und im Nordbahnviertel.
23 Jahre Gemeinderat
Doch ihren letzten Auftritt am Rednerpult des Gemeinderats wollte Vassilakou nicht für eine Aufzählung des Geleisteten nutzen. Sie schwelgte lieber in Erinnerungen und erinnerte sich in ihrer Abschiedsrede an ihre Anfänge im Rathaus: Sie war 27 Jahre alt, seit zehn Jahren in Österreich und wurde kurz vor ihrer ersten Rede vor dem Gemeinderat eingebürgert. "Ich sprach mit grausamem Akzent", erzählte Vassilakou.
Ihre Antrittsrede habe sie so lange geübt, bis sie diese auswendig konnte. "Weil man mir eingeredet hatte, dass es nicht erlaubt ist, irgendetwas vorzulesen." An den Inhalt ihrer Rede konnte sich Vassilakou 23 Jahre später nicht mehr erinnern, nur dass sie "vom Zigarettendunst benommen" gewesen war. Hätte ihr damals jemand gesagt, dass dort, "wo ich im Herbst 1986 ausgestiegen bin, am Südbahnhof, einmal ein pulsierendes Wohn- und Arbeitsviertel entstehen würde und ich einen wesentlichen Beitrag dafür leisten würde", hätte sie es nicht geglaubt.
Herz am rechten Fleck
Mittlerweile ist das Rauchen im ganzen Rathaus verboten. Vassilakou hat ihre Rede auf einem Zettel vor sich liegen, ist 50 Jahre alt und am Ende ihrer Amtszeit als Vizebürgermeisterin "einer Stadt, der ich alles zu verdanken habe". So erinnerte sich die gebürtige Griechin auch an ihre ersten Monate in Wien. Es sei ein kalter Winter gewesen, sie habe in einer kleinen Wohnung gelebt. In schwierigen Stunden habe sie Beistand im Beisl nebenan erhalten. "Da gaben sie mir eine heiße Suppe, ein Achterl Rotwein, und die Wirtin hat mich umarmt", sagte sie am Mittwoch sichtlich gerührt. "Es war kein linkes, kein intellektuelles Wien in diesem Wirtshaus, es war ein Wien, das das Herz am rechten Fleck hat." Wiedererlebt habe sie dieses Wien 2015, als am Westbahnhof die Flüchtlinge ankamen, und vor kurzem, als Porträtbilder der Holocaust-Überlebenden zerschnitten wurden und Wiener diese wieder zusammengenäht und bewacht haben.
Auf ihr langjähriges Gegenüber, Altbürgermeister Michael Häupl, bezog sich Vassilakou ebenso: Er hatte in seiner Abschiedsrede vor rund einem Jahr gesagt, dass nicht jeder Tag "super" gewesen sei. "Da hat er recht. Aber jeder Tag war es wert", sagte Vassilakou. "Vor zehn Monaten habe ich angekündigt, dass ich bis zum letzten Tag werken werde. Und dieser ist heute."
Zurück in die Zukunft
Für Birgit Hebein stand an diesem Tag ebenfalls eine letzte Rede an – jene vor ihrer Wahl zur Vizestadtchefin, die sie dafür nutzte, in die Zukunft zu blicken: Sie habe eine Vision vom Jahr 2030; 10.000 neue Bäume sollen dann in Wien Schatten spenden, zusätzliche Bänke ältere Bewohner zum Ausruhen einladen – "genauso wie Obdachlose", betonte die ehemalige Sozialarbeiterin. Und: "Leistbares Wohnen wird ein Grundrecht sein."
Sie sehe eine Stadt vor sich, in der "jeder Bezirk eine eigene Begegnungszone hat". Der Ausbau von Sharing-Modellen sowie der Öffis soll das eigene Auto "zur Ausnahme werden lassen", sagte Hebein. Sie übernimmt von Vassilakou auch das Ressort für Stadtplanung und Verkehr. In dieser Funktion will die 52-Jährige dafür sorgen, dass alle Stadtentwicklungsgebiete sozial durchmischt bleiben. "Der Bezirk wird nie aussagen, wie die soziale Stellung ist."
Mandatarin seit 2010
Hebein war seit Vassilakous Antritt als Vizebürgermeisterin im Jahr 2010 Mandatarin der Grünen im Gemeinderat und dort für Soziales und Sicherheit zuständig. Davor war sie fünf Jahre Bezirksrätin und Klubobfrau in Rudolfsheim-Fünfhaus.
Noch vor der Wahl erklärte Hebein: "Ich bin bereit. Ich bin bereit für mehr Verantwortung." Diese wurde Hebein auch kurze Zeit später übertragen. Von den 96 anwesenden Gemeinderäten sprachen ihr 54 das Vertrauen als Stadträtin aus und wählten sie in den Stadtsenat. Genau die Anzahl der Mandate, die die rot-grüne Koalition innehat und die Hebein später auch als Vizebürgermeisterin erhielt. (Oona Kroisleitner, 26.6.2019)