Brigitte Ungar-Klein, "Schattenexistenz. Jüdische U-Boote in Wien 1938- 1945". € 28,- / 376 Seiten. Picus-Verlag, Wien 2019.

Präsentation: Donnerstag, 27. Juni 2019, 18.00 Uhr im DÖW (Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes), Altes Rathaus, Wipplingerstraße 6-8, 1010 Wien

Foto: Picus Verlag

"Ich war Sternträgerin vom Inkrafttreten der Verordnung bis zu meinem Untertauchen im Mai 1942. Zu diesem Zeitpunkt wurden alle Personen in meiner damaligen Wohnung durch die SS ausgehoben und in die Sperlgasse zwecks Deportation eingeliefert", erinnerte sich Paula Hönigfeld. "Von diesem Zeitpunkt an tauchte ich unter, und mein Leben als U-Boot begann. Diese drei Jahre waren ein einziges Martyrium. Morgens wusste ich nie, wo und ob ich abends Möglichkeit finde, irgendwo zu schlafen. Außerdem hatte ich keine Lebensmittelmarken ..."

Tausende Menschen jüdischer Abstammung lebten unter Verlust von Eigentum und Identität während des verbrecherischen Nazi-Regimes im Untergrund. Ab 1933 in Deutschland, nach dem "Anschluss" 1938 in Österreich versuchten Juden dem Terror zu entkommen, zogen es vor, bei nichtjüdischen Freunden kurzfristig unterzutauchen, um sich Verhaftung, Deportation und Ermordung zu entziehen, um für die Ausreise notwendige Papiere zusammenzusammeln. Nach den Novemberpogromen stieg die Zahl der im Untergrund (in Angst und Illegalität) Lebenden. Spätestens ab Proklamation der "Endlösung" 1941 ging es ums nackte Überleben.

Die Historikerin Brigitte Ungar-Klein verfasste nun die erste Studie über vom NS-Regime verfolgte "U-Boote" in Wien. Anhand zahlreicher Interviews und Gespräche analysiert sie Quellen, Daten und Fakten, aber auch Auswirkungen auf die Psyche – sowohl der Verfolgten als auch der Helfer, die sich als "stille Helden" Gestapo und Staat widersetzten. Wer waren die Helfer? Welche Beweggründe hatten sie? Wie war der kollektive Umgang mit Überlebenden, Helfern, Denunzianten, Tätern und Kollaborateuren nach dem Krieg?

Ungar-Klein dekuvriert in "Schattenexistenz" ein beklemmendes Universum aus Angst vor dem "sicheren Tod", aus Unterdrückung, Hartherzigkeit, aus Mitgefühl und"selbstverständlicher" Nächstenliebe, aus Bürokratie und der Hybris des Scheiterns. Die Schriftstellerin Elfriede Gerstl bezeichnete die Hilfe als "tapfere Widersetzlichkeit". "Tausende Juden haben es vorgezogen, ihre Wohnungen im Stich zu lassen, um unauffindbar zu sein, wenn sie geholt werden sollten (...), schlafen in einem Keller, einem Magazin, bei mitleidigen Ariern, ihre Habseligkeiten da und dort verteilt – Ahasver im wahrsten Sinn!" (Gregor Auenhammer, 26. 6. 2019)