Etwa 30 Prozent der Medizinprodukte könnten im Fall eines ungeregelten Brexits ihre Zulassung in Österreich verlieren. Davor warnt nun der Branchenverband Austromed. Es könnte auch zu Versorgungsengpässen kommen. Die Vertreter appellieren an die Politik, dafür Lösungen zu finden.
Fast ein Drittel aller Medizinprodukte, die in der EU gehandelt werden – darunter Implantate, Herzschrittmacher und In-vitro Diagnostika, etwa Produkte, mit denen Blutproben auf Krankheiten getestet werden können, werden derzeit in Großbritannien zertifiziert. Tritt das Land ohne entsprechendes Abkommen aus der EU aus, verlieren diese Produkte ihre Zulassung und stehen dann nicht mehr auf dem europäischen Markt zur Verfügung.
Hinzu komme, dass das derzeit geltende Regulierungssystem aktualisiert wird und die neue EU-Verordnung über Medizinprodukte (MDR) sowie die neue EU-Verordnung über In-vitro-Diagnostika (IVDR) stufenweise eingeführt werden. Sie müssen bis zum 26. Mai 2020, im Falle der MDR, sowie bis zum 26. Mai 2022, im Falle der IVDR, EU-weit vollständig angewendet werden. Unterschiede bei den Regulierungssystemen könnten die Umsetzung der MDR- sowie der IVDR-Verordnung beeinträchtigen und Unternehmen sich potenziell mit zwei unterschiedlichen Systemen konfrontiert sehen, was die Versorgungssituation zusätzlich verschärfen würde.
Lager gut gefüllt
"Da niemand weiß, wann und in welcher Form der Brexit vollzogen wird, hat sich die Medizinprodukte-Branche in Österreich auf ein No-Deal-Szenario vorbereitet", sagt Austromed-Präsident Gerald Gschlössl. "Die Lager unserer Händler sind großteils gut gefüllt und können als kurzfristiger Puffer dienen. Auch Gesundheitseinrichtungen wären gut beraten, sich so auf einen ,No Deal' vorzubereiten."
Dies könne aber nur eine Übergangslösung sein. Um die Versorgungssicherheit mit Medizinprodukten in Österreich wie auch in der gesamten EU nach dem Brexit dauerhaft zu gewährleisten, fordert die Austromed gemeinsam mit der MedTech Europe, dem europäischen Dachverband der Medizintechnikbranche, mehrere Maßnahmen: eine Verlängerung des Brexit-Übergangszeitraums bis mindestens Ende 2020, die Beibehaltung der Zulassung von Medizinprodukten in der EU mit CE-Kennzeichnung – wenn eine in Großbritannien ansässige benannte Stelle ein Medizinprodukt genehmigt hat, dürfe dieser Status durch den Brexit nicht verfallen –, die Umsetzung eines Handelsabkommens für das Gesundheitswesen und übereinstimmende regulatorische Rahmenbedingungen für den Marktzugang von Medizinprodukten in EU und Großbritannien.
Bilaterale Lösungen oder eine Art zwischenstaatliche "Kulanz" reichen nicht aus, sagte Gschlössl. "Eine Lösung kann nur auf europäischer Ebene stattfinden. Wir fordern daher die EU-Kommission auf, im Sinne der Versorgungssicherheit für die Patienten tätig zu werden." (APA, 27.6.2019)