Graz/Greifswald – Magnetische Speichertechniken stoßen bei immer größeren Datendichten allmählich an ihre Grenzen. Forscher im Bereich des ultraschnellen Magnetismus suchen auch daher nach Wegen, auf magnetische Phänomene schneller und zuverlässig einzuwirken, damit in immer kürzerer Zeit immer mehr Datenmengen gespeichert werden können. Allerdings laufen die interessantesten Prozesse auf einer Zeitskala von Femtosekunden ab, also im Bereich vom Millionstel einer Milliardstel Sekunde.

Wer Bewegungen von Elektronen oder die Veränderungen in magnetischen Feldern beobachten will, muss daher geradezu unheimlich genau messen können. Das ist nun einem Team deutscher und österreichischer Experimentalphysiker gelungen. Sie konnten erstmals das magnetische Moment von Materialien synchron zu deren elektronischen Eigenschaften direkt beeinflussen.

"Noch nie so schnell"

Den Forschern des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik und Mikrostrukturphysik des Max-Born-Instituts der Uni Greifswald und der TU Graz ist es mittels ultrakurzer Laserblitze gelungen, die magnetischen Eigenschaften eines ferromagnetischen Materials auf der wesentlich kürzeren Zeitskala von elektrischen Feldschwingungen des Lichts zu manipulieren. Dabei konnte die Beeinflussung um den Faktor 200 beschleunigt werden, berichtet die TU Graz.

"Noch nie wurde ein so schnelles magnetisches Phänomen beobachtet. Ultrafast Magnetism bekommt dadurch eine völlig neue Bedeutung", zeigte sich Martin Schultze vom Institut für Experimentalphysik der TU Graz erfreut. Die Möglichkeit, die ultraschnell ablaufenden Prozesse in Echtzeit zu beobachten, bietet ihm die Attosekunden-Spektroskopie. Dabei können magnetische Materialien mit ultrakurzen Laserpulsen, die sich im unvorstellbar kurzen Bereich von Milliardsteln einer Milliardstelsekunde bewegen, bei sehr hohen Wiederholraten beleuchtet und elektronisch beeinflusst werden.

"Die Lichtblitze setzen im Material einen intrinsischen und üblicherweise verzögernden Prozess in Gang. Dieser übersetzt die elektronische Anregung in eine Änderung der magnetischen Eigenschaften", erklärte der Wissenschafter. Am TU-Institut für Experimentalphysik leitet er eine Arbeitsgruppe mit Schwerpunkt Attosekundenphysik.

Entwicklungsschub erhofft

Die Forscher fanden eine Kombination aus einem Ferromagneten mit einem nicht-magnetischen Metall, mit der sich die magnetische Reaktion genau so schnell herbeiführen lässt, wie die elektronische: "Durch die spezielle Konstellation konnten wir optisch eine räumliche Umverteilung der Ladungsträger bewirken, die eine direkt damit verknüpfte Änderung der magnetischen Eigenschaften zur Folge hatte", erläuterte Markus Münzberg von der Universität Greifswald, wo die getesteten Materialsysteme entwickelt und hergestellt wurden.

"Wir erwarten uns dadurch einen signifikanten Entwicklungsschub für sämtliche Anwendungen, bei denen Magnetismus und Elektronenspin eine Rolle spielen", sagte Sangeeta Sharma, Forscherin am Max-Born-Institut Berlin. Im Rahmen ihrer Messungen konnten die Forscher auch zeigen, dass die quantenmechanische Wellennatur der bewegten Ladungsträger erhalten bleibt und der beobachtete Prozess somit kohärent verläuft.

Grazer Forschungsinfrastruktur wird ausgebaut

Laut TU Graz erlaube das den Forschern, statt größerer Maßeinheiten gleich einzelne Atome als Informationsträger zu nutzen, die geänderten magnetischen Eigenschaften mit einem weiteren, zeitverzögerten Laserblitz gezielt zu beeinflussen und damit die technologische Miniaturisierung weiter voranzutreiben. Die Forschungsergebnisse wurden im Fachmagazin "Nature" präsentiert.

Das TU-Institut für Experimentalphysik Graz soll künftig zu einem Zentrum für ultrazeitaufgelöste Spektroskopie elektronischer und magnetischer Phänomene ausgebaut werden. Am Campus Neue Technik wird dazu gerade ein modernes Laserlabor eingerichtet. (APA, red, 30. 6. 2019)