Es bleibt dabei: freie Fahrt für Pkws auf deutschen Autobahnen. Die Pläne für die "Ausländermaut" sind vom Tisch gefegt worden.

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Einen kleinen Scherz erlaubt sich der deutsche Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), als er am Mittwoch im Foyer des Bundestags Auskunft gibt. Man habe gerade im Verkehrsausschuss über die Klimaziele gesprochen. Als der Journalistenpulk murrt, räumt er aber ein: "Ich denke, wegen dieses Themas sind Sie alle nicht da."

Richtig so. Auch die Bundestagsabgeordneten interessiert vor allem eines: Der "Maut-Murks", wie es der FDP-Mandatar Oliver Luksic formuliert. Die Pkw-Mautpläne sind nach der Klage Österreichs durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Tisch gefegt worden. Nun geht es um die Folgeschäden, und diese sind nicht gerade gering.

"Ärgerliche Situation"

"Leider ist es so, dass wir Einnahmeausfälle haben", sagt Scheuer. Er verstehe schon, dass viele, vor allem Oppositionsvertreter, jetzt "Häme, Spott und Schadenfreude haben". Man solle aber nicht vergessen: "Es ist eine sehr ärgerliche Situation für den Gesamthaushalt."

In Zahlen sieht diese so aus: Dem Verkehrsministerium fehlt bis 2023 rund eine Milliarde Euro. Diese hatte man schon verplant, weil ein Scheitern der Maut überhaupt nicht einkalkuliert worden war. Die Zahl steht in einem Bericht, den das Ministerium an den Verkehrsausschuss des Bundestags übermittelt hat.

80 Mitarbeiter eingestellt

Es kommt allerdings noch einiges dazu. Perdu sind auch 50 Millionen Euro, die zwischen 2014 und 2019 für die Vorbereitung der Maut verbraucht wurden. Die 80 Mitarbeiter, die bereits eingestellt worden sind, sollen in anderen Bundesbehörden unterkommen.

Experten rechnen zudem mit Schadenersatzforderungen der beauftragten Firmen – dem österreichischen Mautsystemanbieter Kapsch und dem Ticketverkäufer CTS Eventim. Es ist die Rede von 300 Millionen Euro, die Scheuer nicht bestätigen will.

Er hat den Spieß jetzt umgedreht und erklärt, den Anbietern nicht nur wegen des EuGH-Urteils gekündigt zu haben, sondern auch wegen Vertragsverstößen. Es seien Fristen nicht eingehalten worden, zudem hätten die Betreiber nach Auflösung der Verträge noch Aufträge an Subunternehmen vergeben. Mit diesen letzten beiden Gründen will er mögliche Millionenforderungen abwehren. Insgesamt hätte sich das Volumen für Kontrolle und Erhebung der Maut über zehn Jahre lang auf zehn Milliarden Euro belaufen.

Geheimhaltungsklausel

Ob Scheuer damit durchkommt, ist unklar. Die Firma Kapsch ist seit Jahren mit der Errichtung von Mautsystemen befasst – in Südafrika, Tschechien, Polen und Weißrussland. Nie hat es Klagen wegen Vertragsverletzungen gegeben. Zu Scheuers Kündigung will sie sich nicht äußern und verweist auf die Geheimhaltungsklausel.

Der Minister ist der Meinung, es sei auch legitim gewesen, die Betreiberfirmen schon vor dem EuGH-Urteil zu engagieren. Man hätte sonst zu viel Zeit verloren. Die Politik könne bei großen Vertragsabschlüssen nicht immer den Richterspruch abwarten.

Das sieht die Opposition jedoch ganz anders. "Er hat die Entscheidung wider besseres Wissen getroffen. Das hat ein unglaubliches Folgefiasko für die Steuerzahler, es gibt jetzt einen Skandal Scheuer", sagt der grüne Verkehrsexperte Oliver Krischer.

Enges Korsett

Die Grünen und die FPD wollen nicht nur Einsicht in die Verträge mit den Firmen, sondern auch in die Ministervorlagen, die Rechtsgutachten und die interne Kommunikation des Ministeriums.

Gegenüber dem STANDARD beklagt der FDP-Abgeordnete Christian Jung, er habe in der Geheimhaltungsstelle des Bundestags nicht mal zwei Stunden lang in dutzende Ordner schauen können: "Das geht so nicht. Wir müssen das mit Experten ansehen." Sollte der Minister nicht für mehr Transparenz sorgen, droht ihm ein U-Ausschuss. (Birgit Baumann aus Berlin, 27.6.2019)