Fixe Schreibtische, dafür keine Individualität: So arbeiten die Bawag-Mitarbeiter seit dem Umzug in den Bürokomplex The Icon beim Wiener Hauptbahnhof.

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Werner Rodax verzichtete beim Umzug auf Berater.

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Die Bawag Group ist vor kurzem aus dem ersten Bezirk in die neue Zentrale beim Wiener Hauptbahnhof gezogen. Bilder dürfen dort nicht mehr aufgehängt werden – warum, berichtet COO Werner Rodax.

STANDARD: Wie gefällt es Ihren Mitarbeitern im Großraumbüro?

Rodax: Das Konzept ist nicht neu für unsere Mitarbeiter. Sie saßen bereits in unserer alten Zentrale im ersten Bezirk im Großraumbüro. Aber mit dem Unterschied, dass das alte Gebäude nicht für ein Großraumbüro ausgelegt war. Hier ist also ein qualitativ hochwertigeres Open Space entstanden. Für die meisten ist das eine Verbesserung.

STANDARD: Nicht für alle?

Rodax: Einzelzimmer gibt es nur noch für Bereichsleiter. Früher hatten auch die Abteilungsleiter Einzelzimmer. Die sitzen jetzt im Team. Da hat es zugegebenermaßen den einen oder anderen gegeben, der gesagt hat: "Für mich ist es nicht so super." Aber das ist eine Minderheit.

STANDARD: Welche Bürotrends haben Sie sonst umgesetzt?

Rodax: Die Trends sind derzeit überall gleich. Es gibt das erwähnte Großraumbüro, dann noch Cooperative-Working-Zones, um gemeinsam zu arbeiten, Quiet-Rooms, um konzentriert zu arbeiten – und keine fixen Arbeitsplätze mehr. Wir haben diese Trends in einer Frühphase bei unseren Mitarbeitern abgefragt. Für uns war damals klar, dass wir sie alle umsetzen. Dann kam aber bei der Befragung heraus, dass unsere Mitarbeiter fixe Arbeitsplätze wollen. Es war der Wille von 98 Prozent. Dem haben wir Folge geleistet.

STANDARD: Also fixe Arbeitsplätze ohne Wenn und Aber?

Rodax: Ja. Aber wir haben das Haus so gestaltet, dass flexible Arbeitsplätze jederzeit möglich sind. Wir organisieren uns permanent um. In unserer früheren Zentrale musste konstant umgebaut werden, weil ein Tisch wieder in einen Bereich nicht reingepasst hat. Wir hatten keine Einheitsgrößen. Hier sollte daher alles gleich sein.

STANDARD: Was heißt das?

Rodax: Wir lassen keine individuellen Raumgestaltungen zu. Die Mitarbeiter dürfen nicht einmal ein Bild aufhängen, höchstens eines aufstellen. Pflanzen sind zwar erlaubt, aber Mitarbeiter müssen sich selbst darum kümmern. Unsere Regel ist: Der Mitarbeiter muss in der Lage sein, seine Sachen selbst umzusiedeln. Wir haben auch nicht alle Abteilungen befragt, welche Anforderungen sie haben, sondern geschaut, welche Anforderungen wir als Bank haben, und daraus ein Konzept erarbeitet. Bei uns sind daher alle Stockwerke gleich. Diesen blauen Besprechungsraum, in dem wir jetzt sitzen, gibt es in jedem Stockwerk.

STANDARD: Im Großraumbüro klagen Mitarbeiter oft über Probleme mit der Akustik. Bei Ihnen auch?

Rodax: In diesem Bereich haben wir wirklich nicht gespart. Wir haben einen speziellen Teppichboden, Möbel, die den Schall brechen, und Zwischenwände. Die Bilder, die überall an den Wänden hängen, wirken als Schallschutz. Im ganzen Haus haben wir unterschiedliche Aufnahmen vom Himmel an die Wände gehängt. Dafür haben wir einen Aufruf an unsere Mitarbeiter gemacht, uns Fotos zu schicken. 140 sind dem nachgekommen.

STANDARD: Noch ein häufiger Streitpunkt: Essensgerüche.

Rodax: Bei uns ist das Essen am Platz nicht erlaubt. Wobei wir damit Essen mit intensivem Geruch meinen. Ein Müsliriegel geht, eine Leberkäsesemmel nicht. Wir haben in allen Stockwerken kleine Küchen und im zweiten Stock eine Küche mit Mikrowellenbar. Dass es in den Stockwerken keine Mikrowellen gibt, damit die Leute nicht am Platz essen, hat im Vorfeld für Aufregung gesorgt. Nun werden sie kaum benutzt.

STANDARD: Sie haben dem Umzug rasch durchgezogen. Wie ging das?

Rodax: Im Oktober 2017 haben wir den Umzug beschlossen, kurz vor Weihnachten wurde der Vertrag für dieses Gebäude unterschrieben. Etwas mehr als ein Jahr später sind wir eingezogen. Das war Rekordzeit. Und wir hatten keine Berater. Wobei in der Zeit vor dem Umzug kaum eine Woche verging, ohne dass einer bei mir angeklopft hätte. Wir hatten Ambassadors in jedem Bereich unseres Unternehmens. Wichtig war, dass das Team völlig empowered war. Wir haben geschaut, was gescheit ist, das in der Gruppe diskutiert – und entschieden. Wir haben nur ganz wenige Entscheidungen im Vorstand getroffen. Der Vorstand sitzt jetzt übrigens nicht ganz oben. Da hat es keine Befindlichkeiten gegeben. Daher haben wir das in dem Tempo durchziehen können.

STANDARD: Wer sitzt denn oben?

Rodax: Das schönste Eck ist im 17. Stock mit Blick auf das Belvedere. In unserer ersten Sitzung hat das Team zwei Entscheidungen getroffen: erstens, dass dieses Eck der Allgemeinheit zur Verfügung stehen soll. Das ist heute die Belvedere Lounge, sie wird für Meetings genutzt. Und zweitens, dass wir statt eines geplanten Veranstaltungssaals einen Kindergarten wollen, um Familien zu fördern.

STANDARD: Wie lief der Umzug?

Rodax: Wir haben unsere Mitarbeiter lange darauf vorbereitet. Wir haben ihnen gesagt, dass sie im neuen Gebäude Stauraum für zwei Übersiedelungskartons haben, und mit einer Scan-Firma kooperiert, um möglichst viele Unterlagen zu digitalisieren. Am Freitag um 14 Uhr vor unserem Umzugswochenende im März mussten die Kartons am Arbeitsplatz stehen, dann begann die Umzugsfirma mit der Übersiedlung. Am Montag waren die ersten Mitarbeiter schon um sechs Uhr in der Früh da, um sich alles anzuschauen, obwohl es erst um halb acht Uhr losgehen sollte. Ab zehn Uhr war die Bank voll produktiv.

STANDARD: Und die zwei Kartons pro Mitarbeiter haben gereicht?

Rodax: Ich muss zugeben, der eine oder andere kam am Montag mit einem Trolley ins Büro. Wir haben dann gesagt: "Bist du heute mit dem Flieger gekommen?"

STANDARD: Sind Ihre Mitarbeiter bisher zufrieden?

Rodax: Wir haben seit dem Umzug kaum Beschwerden gehabt. Natürlich gab es am Anfang kleine Anfahrtsprobleme. Das ist ein neues Haus, da dauert es, bis die Haustechnik eingeregelt ist. Also zum Beispiel, bis die Jalousien wissen, wann sie hinunterfahren sollen, damit die Temperatur in allen Bereichen stimmt. Das kann bei manchen Gebäuden Monate dauern – bei uns war das in drei Wochen geregelt. Auch die Wege haben sich geändert. Die Grundfläche von The Icon würde dreimal in die Grundfläche von unserer früheren Zentrale passen. Früher musste man weit von Punkt A zu Punkt B gehen. Jetzt wartet man 15 Sekunden auf den Aufzug, ist aber trotzdem schneller. Aber das Feedback war bisher wirklich sehr, sehr positiv.

STANDARD: Keine Beschwerden?

Rodax: Kaum. Um das zu illustrieren: Unlängst haben wir eine Beschwerde bekommen, weil das Sodawasser im fünften Stock weniger Kohlensäure enthält als das im zwölften Stock. Wenn das die Beschwerden sind, die an uns herangetragen werden, haben wir wirklich ganze Arbeit geleistet.

STANDARD: Hat sich das Arbeiten durch den neuen Standort verändert?

Rodax: Viele Unternehmen glauben, sie müssen ihre Arbeitswelt ändern, um ihre Unternehmenskultur zu ändern. Wir sind eigentlich mit der Arbeitswelt nachgezogen und haben die Kultur schon vorher geändert. Wir haben in den letzten sechs bis acht Jahren komplett neu erfunden, wie wir zusammenarbeiten. Diesen letzten Schritt des Kulturwandels haben wir nun nachgezogen. Ich will nicht sagen, dass die Mitarbeiter nach diesem Schritt gelechzt haben. Aber man sieht jetzt an der Zusammenarbeit, dass wir die richtige Entscheidung getroffen haben. (Franziska Zoidl, 4.7.2019)