Ein forsch niedergekühltes Luxusrestaurant im Herzen Wiens, mit 140 Sitzplätzen, kolportiert vier Millionen Euro Investition und einem via Dubai aus Kolumbien gebürtigen Koch, der für rumänisch-schweizerische Auftraggeber südfranzösische Küche kochen soll. So lässt sich das neue Tuya auf die Schnelle umreißen. Ah ja, als günstigste Hauptspeise stehen Gnocchi in Tomatensauce auf der Speisekarte, die kosten 22 Euro. Hm, die echt französische Küche tut sich auf dem Wiener Pflaster halt berühmt schwer.

Restaurantleiter Andrea Palese erklärt, dass seine Auftraggeber in Wien "eigentlich nur ins Fabios gehen konnten" und der Stadt deshalb einen neuen, zeitgemäßen – und eben nicht italienischen – Luxusschuppen verordnet hätte. Wien ist für Unternehmungen der explizit dick aufgetragenen Art aber auch ein schwerer Boden – zuletzt war das Aï, eine Oligarchenkantine im "Goldenen Quartier", nach wenigen Monaten Geschichte.

Kunstvoll angerostete Wände, teures Gestühl und tausende mundgeblasene Lusterröhren im neuen Tuya.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Weintrophäen

Für den Service wurde vom Fabios ein (im Wesentlichen auf Italienisch parlierender) Kellner wegengagiert, der Rest des Personals kommt fast ausschließlich von weither und spricht Englisch. Der Sommelier war zuvor im Burj al Arab (ebenfalls Dubai). Die Weinkarte bietet Trophäen, von Château Pétrus 2001 (€ 5400) bis zum Über-Kalifornier Screaming Eagle 2008 (€ 6300). Manches, wie La Tâche 2016, ist noch gar jung, um für 3900 Euro aufgerissen zu werden. Aber die Karte ist auch in den Niederungen der Leistbarkeit gut sortiert, die Aufschläge fallen eher italienisch denn wienerisch aus.

Über die Auftraggeber erzählt der Restaurantleiter wenig: "Zwei in der Schweiz lebende Brüder, die im IT-Geschäft tätig sind" – mehr ist dem freundlichen Piemontesen nicht zu entlocken. Auf Umwegen erfährt man, dass die Brüder aus Bukarest stammen und "ziemlich von Anfang an" am Bitcoin-Boom partizipiert haben sollen. In Dubai haben sie bereits das eine oder andere Restaurant, dort wurde neben dem Manager und dem Sommelier auch der Küchenchef Richard Rios hergeholt.

Der war zuvor in einer Filiale von La petite Maison, einer Kette teurer Restaurants, die zwischen dem Mittleren und Fernen Osten, aber auch in Florida und London französisches Essen mit Bling-Bling-Appeal serviert.

Deren Menü liest sich sehr ähnlich wie das des Tuya, nur Französisch beherrschen sie beim Original besser als hier. Das fängt bei der ersten Zeile – "Hors d'ouevres" (sic!) – an und hört bei der letzten – "Pommes frittes" (sic!) – auf. Wer so nachdrücklich daherfranzöselt, darf sich auch ein Rechtschreibprüfprogramm leisten.

"Geräucherte Wachtel": erst entbeint, dann gegrillt und zum Schluss auf brennendes Heu gesetzt
Foto: Gerhard Wasserbauer

Ach du Schrimp

Mit dem Kochen klappt es besser. Gratinierte Schnecken sind fleischige, gute Ware, nur die Kräuterbutter ist so köstlich mit Knoblauch versetzt, dass man danach besser allein schläft. Dasselbe gilt für die "geräucherte Wachtel", die erst entbeint, dann gegrillt und zum Schluss auf brennendes Heu gesetzt wurde: saftig zartes Fleisch, nachhaltiger Knoflkater. "Schrimp und Krabben Kroketten" (sic!) werden um 18 Euro als "hausgemacht" empfohlen (wär ja noch schöner!), dessen ungeachtet ist die Béchamelmasse unter der Knusperpanier nur marginal meeresfrüchteschwanger.

Bei den Hauptspeisen wird die Schwäche des Servierkonzepts, alle Speisen zum Teilen auf dem Tisch einzustellen, erstmals offensichtlich: Während man noch mit Kabeljau auf Tomatensauce ringt (leider zu forsch gegart und zusätzlich auf brennheißer Gusseisenschale serviert), kühlen die köstlich confierten und angeknusperten Entenkeulen mit gegrillter Endivie und wirklich guter Orangensauce unbarmherzig aus. Die Patisserie sollte man sich nicht entgehen lassen, dafür wurde mit Desirée Kloiber eine an Londoner Topadressen geformte Wien-Heimkehrerin engagiert, die es wirklich draufhat. (Severin Corti, RONDO, 28.6.2019)

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