Man kann nicht sagen, dass die Seestadt Aspern ein an kuriosen Straßennamen armes Gebiet wäre. Der Janis-Joplin-Boulevard erhielt nun aber neue Nachbarn. Die Künstlerin Silke Maier-Gamauf hat in der Seestadt in Wien-Donaustadt ein paar weitere Straßennamen vergeben.

Darunter auch einen, der das Missfallen des Wiener FPÖ-Gemeinderatsmitglieds Toni Mahdalik weckte. Auf einem grau bemalten Stecken rief Maier-Gamauf die "Silke-Maier-Witt-Straße" aus. Diejenigen, denen der Name nichts sagt, informiert der Namenszusatz über deren Leistungen als "Terroristin, Friedensaktivistin".

"Akt zivilen Ungehorsams" der FPÖ

Silke Maier-Witt war seit 1977 Mitglied der linksextremistischen RAF und als Späherin an der Entführung und Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer beteiligt. Maier-Witts Hauptaufgaben lagen in der Recherche und Zubringerdiensten. Nachdem es bei einem Banküberfall in Zürich zu einem Todesopfer kam, tauchte Maier-Witt in der DDR unter. 1985 wurde sie entdeckt, zu zehn Jahren Haft verurteilt und 1995 wegen umfassender Aussagen und der Kronzeugenregelung vorzeitig wieder entlassen.

Mahdalik empört sich auf Facebook, dass sie nun "im Rahmen einer mit Steuergeld geförderten 'Kunstaktion' eine eigene Straße in der Seestadt" bekommen habe, und reagiert mit "einem Akt zivilen Ungehorsams, der zugleich eine Kunstaktion darstellt", darauf. Mit einem Stanleymesser bewaffnet schneidet er die gebastelte Tafel von ihrer Befestigung und teilt der Künstlerin mit, sie könne die Tafel bis Dienstagmittag bei ihm im Rathaus abholen. Auch die durchtrennten Kabelbinder will er ersetzen.

Geläuterte RAF-Terroristin

Weitere und weniger verfängliche Namenspatroninnen sind etwa die Guerilla Girls, Donna Haraway oder Harriet Tubman. In einem kurzen Video erklärt Maier-Gamauf auch Maier-Witts spätere Biografie. Die 57-Jährige lebt heute als Psychologin für das Forum ziviler Friedensdienste in Nordmazedonien und sei eine der wenigen aus dem früheren engsten RAF-Kreis, die sich mittlerweile selbstkritisch äußern und Reue bekunden.

Silke Maier

Die kritisierte Installation heißt "Audiowalk Seestadt" und ist eine Kunstintervention im Rahmen von "Kunstland Nord" der in der Seestadt ansässigen Notgalerie. Seit 2017 belebt der Ausstellungsraum die Seestadt künstlerisch. Heuer übertrug die Seestadt Aspern dem Galerieinitiator Reinhold Zisser die Bespielung der gesamten Baustelle und Brache auf über 50 Hektar. "Kunstland Nord" soll diesen Bereich als Projekt nun von Mai bis September bespielen. Unterstützt wird es unter anderem von KÖR, Bundeskanzleramt und dem Bezirk Donaustadt. Mehr als 20 Künstler sind daran beteiligt.

In einer Stellungnahme verweist die Künstlerin auf QR-Codes auf den Schildern, die im Internet zu weiteren Informationen zum Projekt sowie den genannten Frauen führen. Silke Maier-Gamauf erklärt weiters, es handle sich bei den neun Namen der Installation um "exponierte Frauenbiografien. Die Auswahl der Personen bezieht sich auf das Thema der Straße – als Verlauf, Linie und Metapher für Wanderschaft, Exil und Transformation. Ein Schild mit dem Namen von Silke Maier-Witt (...) soll in keiner Weise Terrorismus gutheißen oder gar verharmlosen. (...) Thema der künstlerischen Arbeit ist die Möglichkeit dass Menschen ihre Handlungen und Haltungen reflektieren und Selbstkritik üben können um in Folge auch den eigenen Lebensweg radikal zu verändern."

Mahdalik soll Tafel selbst zurückbringen

Auf Anfrage erklärt die Künstlerin die Entscheidung, die ehemalige RAF-Terroristin zum teil ihrer Installation zu machen. damit, dass sie deren Lebensweg seit vielen Jahren verfolge und recherchiere: "Ihre Fähigkeit Handlungen und Haltungen zu reflektieren, Selbstkritik zu üben und ihren Lebensweg radikal zu verändern, sollte zum Thema gemacht werden. Bisher ist mir von keiner anderen ehemaligen Terroristin oder einem ehemaligen Terroristen bekannt, dass sie ihr späteres Leben der Friedensarbeit gewidmet haben".

Ob sie die Tafel wie aufgefordert bei Mahdalik im Rathaus abholen wird? "Es liegt an diesem FPÖ-Politiker, die Tafel zurück zubringen und wieder aufzuhängen. Die Kabelbinder dazu hat er ja." Mahdalik habe etwas entwendet und unerlaubterweise in eine Arbeit eingegriffen und diese demontiert. Eine Entschuldigung seinerseits für die Demontage sowie die Präsentation auf Facebook sei angebracht. (wurm, 27.6.2019)