Wolf zur Kritik Eric Gujers: "Man muss diese Frage nicht mögen. Aber dass ich die Karikatur mit dem Massenmord der Nationalsozialisten gleichgesetzt oder diesen verharmlost hätte, ist in einem Ausmaß absurd, dass man glaubt, die Aussage kommt von Herrn Vilimsky und nicht vom Chefredakteur der 'NZZ'." (Im Bild: Wolfs "ZiB 2"-Interview mit Harald Vilimsky).

Foto: Screenshot ORF TVthek

Wien – Über "Glaubwürdigkeit in Journalismus und Medien" sprach der Chefredakteur der "Neuen Zürcher Zeitung", Eric Gujer, am Donnerstag beim österreichischen Zeitungsverband. Zwischen dem "Spiegel", dem Reportagenfälscher Claas Relotius und der Berichterstattung deutscher Medien über die Flüchtlingskrise 2015 kritisierte Gujer auch das "ZiB 2"-Interview von Armin Wolf mit FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky und die Gegenüberstellung eines Sujets der Freiheitlichen Jugend Steiermark mit einer antisemitischen Karikatur aus dem "Stürmer".

Gujer kann die Entscheidung – des ORF, sagte er – nicht nachvollziehen, die Karikatur "Tradition schlägt Migration" einer Karikatur aus dem NS-Propagandaorgan "Stürmer" gegenüberzustellen. Hier die Karikatur der steirischen Parteijugend in einem Tweet:

Gujer: "Menschheitsverbrechen verharmlosen"

Das "geschmacklose Plakat der FPÖ-Parteijugend" könne man so nicht vergleichen, findet Gujer: "Die Dummheit von ein paar politischen Halbstarken ist etwas anderes als das Naziregime. Dummheit und Massenmord gehen oft Hand in Hand. Aber nicht jede Dummheit endet im Massenmord. Das sind völlig unterschiedliche Dimensionen." Mit solchen Vergleichen drohe man "Menschheitsverbrechen zu verharmlosen".

Wolf: "Karikatur mit Karikatur verglichen"

Armin Wolf weist die Kritik an seinem "ZiB 2"-Interview vom April auf STANDARD-Anfrage verwundert zurück: "Ich habe die Karikatur nicht mit dem Massenmord der Nazis verglichen. Ich habe die Karikatur der steirischen FPÖ-Jugend mit einer Karikatur aus dem 'Stürmer' verglichen und Herrn Vilimsky gefragt, inwieweit sich die Bildsprache aus seiner Sicht unterscheidet."

Wolf: "Man muss diese Frage nicht mögen. Aber dass ich die Karikatur mit dem Massenmord der Nationalsozialisten gleichgesetzt oder diesen verharmlost hätte, ist in einem Ausmaß absurd, dass man glaubt, die Aussage kommt von Herrn Vilimsky und nicht vom Chefredakteur der 'NZZ'."

Die "Neue Zürcher Zeitung" hatte Wolfs Gegenüberstellung schon unmittelbar nach dem Interview kritisiert, Wolf habe damit Vilimsky und der FPÖ einen Gefallen getan, die "NZZ" hatte Vilimskys Ärger verständlich gefunden. Sie war damit – neben FPÖ-Positionen etwa von Ursula Stenzl und Norbert Steger – eine der seltenen kritischeren Stimmen nach dem Interview und der Gegenüberstellung in der "ZiB 2".

"Sozialarbeiter der Nation"

Gujer war am Donnerstag gerade bei der Rolle der Journalisten, als er auf Wolfs Interview kam. Sein nächster Punkt: Journalisten seien auch weder "Sozialarbeiter der Nation" noch "geistiger Verfassungsschutz". Diesen Eindruck gewann Gujer von den deutschen Medien 2015 auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise und angesichts des starken Zulaufs zur weit rechts außen stehenden AfD.

"80 Prozent der Journalisten, eine Wahrheit"

Damals hätten "80 Prozent der Journalisten in Deutschland nur noch eine Wahrheit" transportiert, sagte der "NZZ"-Chefredakteur. Gleich darauf erinnerte er daran, dass "Mainstream" nur "Langeweile" bedeute.

Auch die Aufregung vieler Journalisten über Donald Trumps Wahlsieg ging Gujer viel zu weit: All die Wort gewordenen Befürchtungen seien nicht eingetreten, "die USA sind immer noch eine Demokratie". Gujer empfahl Journalisten etwa "Mut zur Mäßigung". (fid, 27.6.2019)