Der Einsatz der Feuerwehr dauert an. Wahrscheinlich noch mehrere Tage.

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Auch Suchhunde sind im Einsatz.

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Kurz nach der Explosion war die Preßgasse voller Schutt und Möbelteile.

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Die Blaulichtorganisationen waren kurze Zeit nach der Explosion vor Ort.

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Eine junge Frau in einem gestreiften Kleid diskutiert vor einem gestreiften Absperrband mit der Polizei. "Das ist zu nah, tut mir leid", erklärt der Beamte und schüttelt den Kopf. Die Schülerin gibt auf. "Ich wohn gleich da drüben. In dem orangen Haus." Die 17-Jährige zeigt auf ein Gebäude in der Wiener Preßgasse. Es liegt schräg gegenüber von jenem Haus, in dem es am Mittwochnachmittag zu einer schweren Explosion gekommen ist, die eine 29-Jährige das Leben gekostet hat. 14 Menschen wurden durch die Detonation verletzt, zwei davon schwer. In der Nacht ortete die Feuerwehr in einem Hohlraum zudem eine weitere vermisste Person, die keine Lebenszeichen von sich gab.

Tags darauf klafft ein riesiges Loch in dem mehrgeschoßigen Gemeindebau in Wieden. Die Feuerwehr ist im Großeinsatz, 50 bis 70 Frauen und Männer sind vor Ort. Die Einsatzkräfte suchten mittels Schallortung und mit Suchhunden nach der vermissten Person. Schicht für Schicht wurde der Schutt händisch abgetragen, damit die vermisste Person nicht gefährdet wird. Am Abend wurde eine zweite Leiche entdeckt. Ob es sich dabei um die vermisste Person handelt, war laut Polizei noch unklar. Die Identität des Mannes muss noch bei einer Obduktion geklärt werden. Von weiteren Todesopfern gehe man nicht aus.

Einsturzgefahr

"Das Gebäude ist in einem instabilen Zustand", betont Feuerwehrsprecher Gerald Schimpf. Es werde noch mehrere Tage dauern, bis alle Sicherungsmaßnahmen abgeschlossen sind und das abrissreife Haus an eine Baufirma übergeben werden kann. Da befürchtet wird, dass das Haus einstürzt, sind die Feuerwehrmänner mit Leinen gesichert – falls Trümmer vom Dach fallen, können sie schnell ins Freie gezogen werden.

Auch die Ursachenforschung ist noch im Gange. Vor Ort gehen die Einsatzkräfte von einer Gasexplosion aus. Wie es zu dieser gekommen ist, sei noch unklar. Dass eine undichte Hausleitung zu der Explosion geführt haben könnte, schließt Gerhard Fida, Geschäftsführer der Wiener Netze, laut APA jedenfalls aus. Aus Sicherheitsgründen wurden auch in einigen benachbarten Häusern das Gas und der Strom abgestellt.

Zum Zeitpunkt des Unglücks ist die Schülerin, die mittlerweile an der Ecke der Preßgasse mit ihrem Handy in der Hand wartet, mit ihrer Mutter daheim gewesen. "Wir haben einen lauten Knall gehört", erzählt sie. Vom Fenster aus habe sie das Geschehen beobachtet. "Es gab eine kleine Rauchwolke, alles war voll Asche, und überall sind Scherben herumgelegen", sagt sie. Dann sei es "sehr schnell" gegangen. Nach kurzer Zeit habe sich die Gasse mit Einsatzfahrzeugen gefüllt. Sie selbst habe den restlichen Abend das Haus nicht verlassen, erst am Morgen. Dass sie nicht mehr heimdarf, nervt sie. "Manchmal lassen sie wen hinein, manchmal nicht", beschwert sie sich. Wo sie die Zeit, bis sie wieder ins Haus darf, verbringt? "Ich geh zu meiner Schwester oder einer Tante." Aber erst wird telefoniert und die Lage durchgegeben. "Ich hab auch nichts mit, nur ein paar Sachen." Diese beschränken sich auf das, was in einen Turnbeutel passt.

Ersatzquartiere stehen bereit

Zwar sind die umliegenden Gebäude laut Feuerwehr nicht einsturzgefährdet, aber solange der Weg nicht gesichert ist, dürfen die Anrainer nicht durch die Gasse gehen. "Es ist derzeit nicht abschätzbar, wann die Bewohner zurück in ihre Wohnungen können", sagt Schimpf. Von der zerstörten Fassade fallen immer wieder Trümmer auf die Straße. Sollten die Arbeiten zügig vorangehen, soll im Laufe des Abends eine Begehung der anliegenden Häuser – begleitet von Einsatzkräften – möglich sein. "Wir versuchen, kurzzeitigen Zugang zu ermöglichen, damit die wichtigsten Dinge geholt werden können", sagt Schimpf.

In dem Gemeindebau aus den 1950er-Jahren gibt es 30 Wohnungen, 22 Wohnungen mit 42 dort gemeldeten Personen sind von der Detonation unmittelbar betroffen. Die Stadt Wien hat für alle Betroffenen Ersatzquartiere organisiert. "Wir konnten in der Nacht noch die ersten zwei, drei Mietparteien unterbringen", sagt ein Sprecher von Wiener Wohnen. Am Unglücksort steht ein Bus des Stadtservice Wien bereit, um die Notquartiere zu vermitteln und als Anlaufstelle zu dienen. Noch habe sich niemand gemeldet, erklärt Florian Weis, Sprecher der Gruppe Sofortmaßnahmen. Er geht davon aus, dass die Betroffenen bei Freunden und Familie untergekommen sind.

Kleidung bei Volkshilfe

Neben dem Bus parkt ein Auto. Die Wiedner Bezirksvorsteherin Lea Halbwidl packt Kisten mit Gewand aus dem Kofferraum. "Es ist nur eine kleine Auswahl", sagt die SPÖ-Politikerin. Mehr Kleidung können sich Betroffene, die ihr Hab und Gut verloren haben, in den Volkshilfe-Shops abholen.

Am Nachmittag rollte auch noch ein 50-Tonner der Feuerwehr an. "Es ist jetzt der Punkt erreicht, wo händisch nichts mehr geht", sagte Schimpf der APA. (Oona Kroisleitner, 27.6.2019)