Jahrelang wussten die Opfer eines Cyberstalkers nicht, wer ihr Peiniger ist.

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Ein Cyberstalker belästigte jahrelang Jugendliche in der US-Kleinstadt Belmont im Bundesstaat New Hampshire. In der dortigen Schule suchte er sich mehrere Personen, mit denen er sich online anfreundete. Die Mädchen wurden daraufhin dazu aufgefordert, Nacktfotos zu schicken – taten sie es nicht, hackte er ihre Accounts und drohte weitere Schritte an, wie das Magazin "Wired" in einer ausführlichen Reportage berichtet. Etwa kommt die junge Frau May zu Wort, die damals 16 Jahre alt war.

Nacktfotos verlangen

Sie war neu in eine andere Stadt als Belmont gezogen und kannte noch niemanden. Auf Facebook schickte ihr ein junger Mann namens Seth Williams eine Freundschaftsanfrage, die sie annahm. Die beiden begannen, miteinander zu chatten, schon bald tauschten sie Handynummern aus und schrieben weiter. Nach einiger Zeit verlangte er Nacktfotos von ihr.

Als Reaktion sendete sie ihm scherzhaft ein Foto ihres Hinterns mit Jeans und Farbe darauf. Er wollte allerdings weitere Bilder und überredete die Jugendliche dazu, ihm ein weiteres zu schicken – diesmal ohne Jeans. Daraufhin wollte er ein weiteres Nacktfoto haben, May weigerte sich jedoch.

Williams reagierte verärgert – und hackte ihren Facebook-Account und ihr E-Mailkonto. Dann änderte er die Passwörter, sodass sie nicht mehr darauf zugreifen konnte. Sie bat ihn, sie ihr zurückzugeben, was er jedoch nicht tat. Daraufhin blockierte sie ihn auf ihrem Smartphone – erfolglos, denn daraufhin schrieb er sie mit einer anderen Telefonnummer an. May änderte ihre Handynummer, die er jedoch trotzdem fand. Schließlich eskalierten seine Erpressungsversuche: Wenn sie ihm kein Nacktfoto schicke, würde er das Bild ihres nackten Hinterns weiterversenden und auf Facebook stellen. Sie weigerte sich, woraufhin er seine Drohung in die Realität umsetzte.

Bei der Polizei gemeldet

In ihrer Schule sorgte das dafür, dass ihre Bekannten auf Abstand gingen, auch, weil deren Eltern sie dazu aufforderten. "Ich habe mich nie so alleine gefühlt", sagt sie zu "Wired".

Dann war eine Zeit lang Funkstille, und May hoffte, dass sie den Stalker losgeworden war. Fehlanzeige – nach einer Weile schrieb er sie wieder an und verlangte erneut Bilder. Auch schickte er Nacktfotos von anderen Mädchen – darunter auch einer Freundin aus Belmont. Nach einem Telefonat mit dieser entschied die junge Frau sich dazu, mit ihrer Mutter zur Polizei zu gehen.

Eine Kommissarin namens Raechel Moulton war mit dem Fall beauftragt und hatte schon mehrere Meldungen bekommen: Wie sich herausstellte, waren alle Betroffenen früher oder später Schüler der Belmont High School. Der Täter nutzte offenbar mithilfe eines SMS-Dienstes mehrere Nummern. Auf diese Weise war es für sie möglich, seine Handynummer ausfindig zu machen: Es handelte es sich bei dem Täter um einen Schüler der High School. Die Ermittler und eines seiner Opfer entschieden sich jedoch dazu, ihn nicht gleich zu konfrontieren. Stattdessen übernahmen sie das Konto des Opfers, um weiter mit ihm zu kommunizieren und Beweise zu sammeln. Dafür ernteten Moulton und ihr Team auch Kritik von der Mutter des Täters – statt ihn gleich festzunehmen, ließen sie ihn, so die Argumentation, weitere Taten begehen.

Sextortion

Bei dem Fall handelt es sich um sogenannte "Sextortion", eine Mischung von "Sex" und dem englischen Begriff "extortion", also Erpressung. In Zeiten von sozialen Medien hat sich diese zu einem Phänomen entwickelt, welches immer öfter praktiziert wird. In den USA gibt es dafür keine eindeutige Strafbestimmung – weswegen die Ermittler weiter Beweise sammeln wollten. Der Täter wurde letztendlich wegen "sexueller Belästigung aus der Ferne" zu acht Jahren Haft verurteilt. Insgesamt gab es 23 bekannte Opfer, angenommen wird, dass weitere Jugendliche Opfer waren. (red, 3.8.2019)