Als sie am Donnerstag im Schloss Bellevue stand, um die Ernennung der neuen Justizministerin durch den Bundespräsidenten zu verfolgen, begann Angela Merkel an Armen und Beinen stark zu zittern.

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Es geht alles ganz normal weiter. Derzeit ist Angela Merkel beim G20-Gipfel in Japan, nächste Woche wird sie unter anderem zur Westbalkan-Konferenz ins polnische Posen reisen und den irischen Präsidenten Michael Daniel Higgins im Berliner Kanzleramt empfangen. Ob sie sich dazwischen schont, einmal hinlegt oder Ärzte konsultiert – es ist nicht bekannt.

"Der Bundeskanzlerin geht es gut", versichert Regierungssprecher Steffen Seibert, mehr ist offiziell nicht zu ihrem Gesundheitszustand zu erfahren. Doch seit Merkel binnen acht Tagen den zweiten Zitteranfall erlitten hat, ist man sich in Deutschland nicht mehr ganz so sicher.

Merkel funktioniert, sie ist äußerst robust – das waren die Deutschen bisher gewohnt. Seit ihrem Amtsantritt 2005 blieb die offizielle Krankenakte recht dünn. Im Winter 2014 zog sie sich beim Langlaufen in der Schweiz einen Bruch des Beckenrings zu und war danach einige Zeit auf Krücken zu sehen. Man hat sie auch schon erkältet oder heiser erlebt. Ebenfalls 2014 musste ein TV-Interview unterbrechen. Danach hieß es, nachdem sie gegessen und getrunken hatte, habe sie sich besser gefühlt.

Drei Gläser Wasser

Eine ähnliche Erklärung gab sie selbst ab, als sie in der Vorwoche im Ehrenhof des Bundeskanzleramtes, beim Empfang des neuen ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, plötzlich stark zu zittern begann und ihren Köper nicht mehr unter Kontrolle hatte.

Sie habe mittlerweile "mindestens drei Gläser Wasser getrunken", sagte sie, es gehe ihr "gut".

Diese Woche, als sie im Schloss Bellevue bei der Ernennung der neuen Justizministerin Christine Lambrecht (SPD), wieder zu zittern begann, reichte man ihr ein Glas Wasser, das sie aber ablehnte.

Die deutschen Medien greifen das Thema recht unterschiedlich auf. Während die Süddeutsche die Vorfälle nur kurz erwähnt, fragt die Berliner Morgenpost: "Leidet sie gar an Parkinson?" Die Bild titelt auf der ersten Seite "Angst um Merkel" und schreibt "Die Welt bangt um Deutschlands Kanzlerin". Was Parkinson betrifft, gibt das Blatt Entwarnung. Es befragte Ärzte, die zwar keine Ferndiagnose abgeben wollten, Parkinson aber schloss einer aus, dafür sei das Zittern zu stark. Erwähnt werden harmlose Auslöser wie Dehydrierung oder Erschöpfung, aber auch die Möglichkeit von Diabetes oder multipler Sklerose.

Eine düstere politische Prognose angesichts der Schwächeanfälle stellt Berthold Kohler, der Mitherausgeber der FAZ: "Im Netz kreisen schon die Geier, die sich darüber freuen, dass Merkel nun auch körperlich am Ende ist."

Kohl hielt eisern durch

Der Umgang mit einer Krankheit ist für einen Spitzenpolitiker heikel. Natürlich weiß man, dass er oder sie ein menschliches Wesen ist. Andererseits wird körperliche Schwäche auch schnell als politische Hilflosigkeit ausgelegt. Daher hielt der deutsche Ex-Kanzler Helmut Kohl 1989 beim Parteitag in Bremen – vollgepumpt mit Medikamenten – auch eisern durch, um seinen Sturz durch Heiner Geißler und Lothar Späth als CSU-Vorsitzender zu verhindern. Die Prostata-OP wurde erst später durchgeführt.

Im Netz gibt es unter dem Hashtag #Zitteranfall einige hämische Bemerkungen zu Merkel, die überwiegende Mehrheit aber äußert sich besorgt und wünscht alles Gute. Grund zur Sorge besteht laut Merkels Umfeld aber ohnehin nicht. Dort ist folgende Erklärung zu hören: Der erste Zitteranfall, an der Seite von Selenskyi, war auf Wassermangel zurückzuführen und völlig harmlos.

Der zweite, diese Woche im Schloss Bellevue, hatte psychische Ursachen. Merkel habe sich an ihr Zittern ein paar Tage zuvor erinnert – und prompt wieder am Körper zu beben begonnen. (Birgit Baumann aus Berlin, 28.6.2019)