Wenn bei Magicicada-Zikaden eine neue Paarungssaison ansteht, können Milliarden von ihnen gleichzeitig aus dem Boden gekrochen kommen.
Foto: Matt Kasson

Singzikaden der Gattung Magicicada haben einen Lebenszyklus mit extremem Ungleichgewicht zwischen den einzelnen Entwicklungsstadien. Die ausschließlich im östlichen Nordamerika vorkommenden Tiere verbringen 13 bis 17 Jahre als Larven im Boden. Dann kommen sie in Massen hervor, um binnen weniger Wochen ins adulte Stadium einzutreten, sich hektisch zu paaren und Eier abzulegen, ehe sie schon wieder sterben.

Eine Pilzinfektion kann diesen Zyklus ins Grausige wenden, berichten nun Forscher der West Virginia University. Sie ziehen einen Vergleich zwischen Pilzen der Gattung Massopora, die die Zikaden befallen, und dem berühmt-berüchtigten Pilz Ophiocordyceps unilateralis, der Ameisen zu "Zombies" macht, damit sie seine Sporen verbreiten.

Tödlicher Paarungsrausch

Bei Massopora ist der Parasitismus nicht ganz so ausgefeilt, aber nichtsdestotrotz effektiv. Der Pilz befällt die Zikaden noch im Boden und wird aktiv, wenn sich die Insekten sieben bis zehn Tage an der Oberfläche aufgehalten haben. Dann löst sich der Panzer am Hinterleib und der Pilz wuchert über die Darmöffnung und die Geschlechtsteile der Insekten.

Zugleich beginnt sich das Verhalten der Insekten zu verändern, wie die Forscher um Matt Kasson beobachten konnten. Sie sprechen von "hypersexuellem Verhalten": Die Zikaden begeben sich verstärkt auf die Suche nach Paarungspartnern und reichen die Infektion an diese weiter – zumindest solange, bis ihnen in weiterer Folge der Infektion die Beine abfallen, während der Pilz an ihrer Substanz zehrt.

Don't try this at home

Während der "Zombie-Pilz" Ophiocordyceps seine Opfer erst tötet, ehe er seine Sporen verbreitet, hält Massospora die seinen am Leben. Zur Steuerung scheint er chemische Substanzen zu produzieren, die laut Kasson denen ähneln, die man von halluzinogenen Pilzen kennt, wie sie auch von Menschen gerne konsumiert werden. Eine Genom-Analyse könnte der Forschung zur Entdeckung neuer pharmazeutisch wirksamer Stoffe verhelfen, hofft der Forscher.

Kasson rät aber davon ab, im Selbstversuch festzustellen, ob man durch den Konsum pilzbefallener Zikaden high werden kann. Die von ihm entdeckten psychoaktiven Substanzen seien nur zwei von etwa 1.000 im Körper der Tiere, und andere dieser Verbindungen könnten für Menschen schädlich sein. Dass er ausdrücklich davon abrät, mag nach einer unnötigen Warnung klingen – allerdings zeigt das Beispiel Australien, wo die giftigen Aga-Kröten von manchen Drogenkonsumenten "gemolken" und im Extremfall sogar direkt abgeleckt werden, dass kaum etwas undenkbar scheint. (red, 10. 7. 2019)

Forscher Matt Kasson und eines seiner Studienobjekte.
Foto: Matt Kasson