Ein Dungkäfer der Spezies Scarabaeus lamarcki navigiert mit seinem Dungball durch die südafrikanische Savanne. Dabei nutzt er mehrere Orientierungsstrategien.

Foto: Chris Collingridge

Viele Vertreter der Käfergattung Skarabäus versorgen ihren Nachwuchs mit eher ungewöhnlicher Nahrung: Sie sammeln den Kot von pflanzenfressenden Säugetieren und formen ihn zu Kugeln, die sie anschließend rückwärts vor sich her schieben. Den Mist stopfen die Käfer schließlich in unterirdische Gänge, die als Brutkammer dienen; dort legen die Insekten ihre Eier ab. Der südafrikanische Dungkäfer Scarabaeus lamarcki hat sich dabei auf Elefantenmist spezialisiert.

Wie der Käfer seinen Weg vom Elefantenhaufen hin zu den Gängen findet, dafür interessiert sich Basil el Jundi von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). Nun haben der Neurobiologe und seine Kollegen herausgefunden, dass sich der Skarabäus nicht allein am Sonnenstand orientiert – seine Navigationsmethode ist viel komplexer.

Gemeinsam mit Forschern aus Schweden und Südafrika konnte das JMU-Team feststellen, dass der Dungkäfer auch Informationen über die Windrichtung in seine Streckenplanung einbezieht. Ihre neuen Erkenntnisse haben die Forscher in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "PNAS" veröffentlicht.

Möglichst schnell zum Ziel

"Südafrikanische Dungkäfer müssen ihre Dungkugel möglichst zügig von dem Dunghaufen wegrollen, um so zu verhindern, dass die Kugel von anderen Käfern gestohlen wird", erklärt el Jundi. Um sicher zu stellen, dass sie sich tatsächlich schnellstmöglich aus dem Gefahrraum entfernen, rollen die Käfer die Kugel entlang einer geraden Linie vom Dunghaufen weg. Um ihren Kurs zu halten, nutzen sie dabei Himmelssignale als Orientierungsmarke – beispielsweise den Stand der Sonne. Unklar war bisher allerdings, wie die Käfer ihren Weg finden, wenn die Sonne keine brauchbaren Informationen liefert, etwa wenn sie mittags im Himmelszenit steht.

Die Antwort auf diese Frage können el Jundi und sein Team jetzt geben: "Wir haben herausgefunden, dass Dungkäfer zusätzlich zum Himmel auch den Wind zur Orientierung nutzen." Die entsprechenden Signale nehmen die Tiere über ihre Antennen wahr – zwei lange, empfindliche Fühler, die seitlich rechts und links vom Kopf abstehen. Die notwendigen Informationen liefern hohe Windstärken, die in der afrikanischen Savanne besonders um die Mittagszeit auftreten, also dann, wenn die Orientierung an der Sonne schwierig wird.

Erhöhte Navigationspräzision

Um allerdings einen effizienten und robusten "Kompass" zu erzeugen, müssen die Tiere die Windinformation mit den übrigen Himmelssignalen kombinieren und in Einklang bringen. Nur so ist gewährleistet, dass sie auch bei einer plötzlichen Windstille noch ihren Weg finden, indem sie flexibel zurück auf den Sonnenkompass als Hauptorientierungssignal wechseln. Wie die Forscher zeigen konnten, erleichtert diese Kombination unterschiedlicher Orientierungssysteme dem Käfer nicht nur die Wegfindung. Tatsächlich steigert sie auch die Präzision des Käferkompasses.

Für ihre Studie haben die Wissenschafter mit einer Laborarena gearbeitet, in der sie Sonnenstand und Wind nach Belieben simulieren und deren Auswirkungen auf das Navigieren der Käfer präzise erfassen konnten. Ihre Experimente zeigen nicht nur, dass die Käfer die Windrichtungsinformation relativ zur Sonnenposition setzen. "Vielmehr konnten wir noch zusätzlich zeigen, dass die Käfer die Richtungsinformation, die sie mit Hilfe der Sonne als einzige Referenz gesetzt haben, auf den Windkompass transferieren können", sagt el Jundi. Dies zeige, dass sowohl der Wind- als auch der Sonnenkompass im Käfergehirn auf das gleiche räumliche Gedächtnis "zugreifen" und demnach miteinander kommunizieren.

Dynamischerer "Kompass"

Somit zeigt die Studie, dass Dungkäfer einen weitaus dynamischeren Kompass nutzen, als es die Wissenschaft bisher für möglich gehalten hat. Der Zugriff auf verschiedene sensorische Einflüsse ermöglicht den Tieren, zu jeder Zeit mit höchster Präzision zu navigieren. Ihre Fähigkeiten übersteigen dabei menschliche Fähigkeiten deutlich – und das, obwohl sie mit einem Gehirn ausgestattet sind, das kleiner ist als ein Reiskorn. Darüber hinaus bestätigen die Ergebnisse, dass es sich bei einem Insektengehirn um kein "statisches Substrat" handelt, sondern um eine "hochplastische neuronale Maschinerie, die sich formidabel an die Umgebung anpassen kann", wie die Wissenschafter schreiben. (red, 30.6.2019)