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Ringt um Lösung vor dem Sondergipfel am Sonntagabend: EU-Ratspräsident Donald Tusk.

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Schon vor der Ansage von Tusk hat der sozialdemokratische Spitzenkandidat bei der EU-Wahl, Frans Timmermans, als Favorit gegolten

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Brüssel – In Brüssel haben am Sonntag entscheidende Beratungen über EU-Topjobs begonnen. Am Vormittag kamen im EU-Parlament die Fraktionsvorsitzenden mit EU-Ratspräsident Donald Tusk zusammen. EU-Abgeordnete berichteten danach, dass Tusk beim Sondergipfel am Abend einen Sozialdemokraten als Kommissionspräsidenten vorschlagen werde. Damit startete der Niederländer Frans Timmermans aus der Pole Position.

Wie der stellvertretende Geschäftsführer der Rechtsfraktion "Identität und Demokratie" (ID) am Sonntag in Brüssel mitteilte, hat Tusk weiters die Posten des Parlamentspräsidenten und des Hohen Beauftragten für die Außenpolitik für die Europäische Volkspartei vorgesehen. Die Liberalen sollen die Position des Ratspräsidenten bekommen.

Schon zuvor hatte der sozialdemokratische Spitzenkandidat bei der EU-Wahl, Frans Timmermans, als Favorit für den Posten des Kommissionspräsidenten gegolten. Er könnte zum Zug kommen, weil das Europaparlament auf einem Spitzenkandidaten als Kommissionschef beharrt, der französische Präsident Emmanuel Macron aber den Kandidaten der größten Fraktion in der EU-Volksvertretung, Manfred Weber, strikt ablehnt.

Spitzenkandidat als Kommissionspräsident

Am Wochenende hatte es bei EU-Diplomaten geheißen, dass die sechs großen EU-Staaten sich am Rande des G-20-Gipfels in Osaka darauf verständigt hätten, dass tatsächlich einer der Spitzenkandidaten bei der Europawahl EU-Kommissionspräsident werden soll. Der Kommissionspräsident wird von den Staats- und Regierungschefs vorgeschlagen, braucht aber die Unterstützung der absoluten Mehrheit aller EU-Abgeordneten, um sein Amt antreten zu können.

Die 28 EU-Staats- und Regierungschefs, darunter Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein, wollen am Abend (18.00 Uhr) in Brüssel zusammenkommen, um über den Kommissions- und den Ratspräsidenten sowie den Außenbeauftragten zu entscheiden. Unterschiedliche Signale gab es, ob auch der EZB-Präsident mit zu dem zu schnürenden Personalpaket gehören soll.

Zuvor tagen die Parteienfamilien unter sich. Ein erster EU-Gipfel hatte keine Einigung gebracht, weil etwa Frankreichs Präsident Emmanuel Macron das Spitzenkandidaten-Prinzip insgesamt ablehnte. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte allerdings zum Abschluss des G-20-Gipfels erklärt, dass sich bei den Diskussionen dort gezeigt habe, dass "der Spitzenkandidatenprozess doch eine erheblichere Rolle spielt, als vielleicht nach dem letzten Europäischen Rat von einigen gesagt wurde". "Auf jeden Fall sind die beiden Spitzenkandidaten Teil der Lösung, und das ist ganz wichtig", sagte sie. Es werde nach jetzigem Stand zu keinem interinstitutionellen Konflikt kommen, erklärte sie mit Blick auf die Forderung sowohl der Christdemokraten, Sozialdemokraten als auch Grünen, am Spitzenkandidatenprozess festzuhalten.

Doppelte Mehrheit nötig

"Der nächste Kommissionspräsident muss aus dem Kreis der Spitzenkandidaten kommen", sagte etwa der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Achim Post der Nachrichtenagentur Reuters am Samstag. "Alles andere wäre ein Wortbruch gegenüber dem europäischen Wähler", warnte Post, der auch Generalsekretär der europäischen Sozialdemokraten (SPE) ist.

Die vier osteuropäischen Visegrad-Staaten Polen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei haben sich nach Angaben des Sprecher von Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orban allerdings bereits gegen Timmermans als Kommissionspräsident ausgesprochen.

Für eine Entscheidung im EU-Rat ist eine doppelte Mehrheit aus 55 Prozent der Länder und 65 Prozent der Bevölkerungen nötig. Ein Kommissionspräsident kann damit auch gegen die Stimmen von EU-Regierungen nominiert werden, obwohl man dies nach Angaben von EU-Diplomaten vermeiden möchte. Danach muss der Kandidat vom europäischen Parlament gewählt werden. (APA, dpa, 30.6.2019)