Nestroys "Eine Wohnung ist zu vermieten" in der Rothmühle in Schwechat.

Foto: Herbert Neubauer

Mehr als die Hitze ist es in Anton Tschechows Onkel Wanja die Langeweile, die den Sommer am Land unaushaltbar macht. Der emeritierte Professor Serebrjakow (Andreas Patton) zieht mit seiner jungen Frau (Virginia V. Hartmann) auf sein Landgut, das von Onkel Wanja (Jörg Witte) und Sonja, Serebrjakows Tochter aus erster Ehe (Laura Laufenberg), bewirtschaftet wird.

Der Rückzug aus der Stadt verläuft auch in dieser Inszenierung im Schloss Perchtoldsdorf anders als geplant: Des Professors Hypochondrie macht alle krank. Seit seiner Ankunft bleibt die Arbeit liegen, tagsüber wird die Zeit mit Gesprächen, Musik und schon längst kalt gewordenem Tee totgeschlagen. Nachts ertränken sich die Männer im Wodka, schlafen kann längst niemand mehr.

Eifersucht, Egoismus und Rache ummauern die zarten Seelen der Gutsbewohner. Anstatt sich der Familie zu erfreuen, zersetzen sich Tschechows fein gewebte Charaktere gegenseitig. Erst wenn sie nach den etlichen sinnlosen Streitereien alleine zurückbleiben, tritt Stille ein. Das lebendige Gut wird auf der Bühne wieder zu dem, was es ist: Ein nacktes Holzgerüst voller ungenützter Potentiale. Regisseur Michael Sturminger ist es gelungen, den alten Text zu modernisieren. Auch heute noch scheint am Ende eines jeden psychologischen Abgrunds der Wunsch zu sitzen, in den Arm genommen und geliebt zu werden.

Ruppige Charaktere

Besticht die erste Hälfte durch trockenen Humor, geht es nach der Pause zu hastig weiter. Eigentlich ist alles schon gesagt, aber die Konflikte müssen anscheinend eskalieren. Nach Ende des Stücks verlässt man daher das Schloss und will ebenso getrieben in die Stadt zurück, wie der Professor und seine Frau das verwünschte Landgut hinter sich lässt.

Wem Tschechows Realismus etwas zu tief in die trübe Bürgerseele blickt, ist bei den Nestroy-Spielen in der Rothmühle in Schwechat besser dran: Die Charaktere sind ruppiger und durch den süffigen Wein der Wiener Reben deutlich besser gelaunt. In der einzigen prärevolutionären Posse Nestroys, die ausdrücklich in Wien spielt, ist die Handlung mit dem umständlichen Titel schon zusammengefasst: Eine Wohnung ist zu vermieten in der Stadt. Eine Wohnung ist zu verlassen in der Vorstadt. Eine Wohnung mit Garten ist zu haben in Hietzing.

Guter alter Wiener Charme

Die handelnden Personen sind Prototypen der Stadt: der Spießer Gundlhuber (Bruno Reichert), der grobe Hausmeister Cajetan Balsam (Robert Herret) und die vielen weiteren Nebenrollen (meist aus dem grandiosen Nestroy-Ensemble). Sie alle verleihen der konventionell-komödienhaften Intrige einen Wiener Charme. Hat Nestroy bei seiner Uraufführung 1837 das Publikum empört, droht das Stück heute aus der Zeit zu fallen. Hietzing ist vollständig urbanisiert, das Auditorium nicht mehr so leicht zu provozieren.

Könnte man meinen: Noch letztes Jahr haben drei FPÖ-Gemeinderäte die Nestroy-Spiele verlassen, weil sie sich von den zeitkritischen Couplets angegriffen fühlten. Öffentlich forderten sie Zensur. Ein Nestroy-Liebhaber wie Peter Gruber (Regie und Bühne) lässt das nicht auf sich sitzen. Aus den vielen Schränken auf der Bühne erscheint auch heuer mal da und mal dort ein geschmeidiger Notar (Marc Illich), der dem jüngsten Altkanzler der Republik bestechend ähnlich sieht und mindestens ebenso gern Selfies macht.

Er spinnt die Fäden, während sich der Kommissar Krickl mit seinen Gehilfen Stracks und Goldi ganz auf ihre despotische Polizeiarbeit konzentrieren: Auch das eine gelungene Adaption des alten Stoffs. (Laurin Lorenz, 1.7.2019)