Seit 20 Jahren wird um das Kraftwerksprojekt Schwarze Sulm gerungen. Bürgerinitiativen und Umweltgruppen kämpfen dagegen an.

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In zwei kürzlich zugestellten Entscheidungen zum wohl ältesten anhängigen Umweltverfahren Österreichs, dem 1999 eingeleiteten Kraftwerksprojekt Schwarze Sulm, hat der Verwaltungsgerichtshof über den Anlassfall hinaus bedeutsame Aussagen zur Parteistellung von Bürgerinitiativen und NGOs gemacht.

Bekanntlich hat der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 20. Dezember 2017, C-664/15 ("Protect") festgestellt, dass Österreich die in der Aarhus-Konvention eingegangenen Verpflichtungen nur unvollständig in nationales Recht umgesetzt hat. Umweltorganisationen wurde zu Unrecht die Parteistellung in Umweltverfahren verwehrt. Hunderte rechtskräftig abgewickelte Verfahren sind nun der Gefahr einer Wiedereröffnung und Neuverhandlung – teilweise sogar auf Basis einer verschärften Rechtslage – ausgesetzt.

Beschränkte Rückwirkung

Zwar hat der Bundesgesetzgeber mittlerweile auf die Kritik des EuGH durch Erlassung des Aarhus-Beteiligungsgesetzes 2018 (BGBl. I Nr. 73/2018) reagiert und auch zeitliche Beschränkungen zur Frage der rückwirkenden Einbindung von Umweltorganisationen bei bereits rechtskräftigen Verfahren getroffen. Allerdings wurde gerade die Beschränkung der "Rückwirkung" durch den Bundesgesetzgeber von NGOs heftig kritisiert; es sei demnach nach wie vor nicht Aarhus-konform. Und neben den Bundesgesetzen gibt es auch zahlreiche Landesgesetze mit Umweltrechtsbezug, wie zum Beispiel die Naturschutzgesetze der Länder. In diesen ist der Umfang der Parteistellung von NGOs nach wie vor weitgehend unklar. Diese ungelösten Fragen führen zu weiterer Rechtsunsicherheit für Projektwerber. Nach wie vor ist nicht klar, ob rechtskräftige Bescheide auch wirklich rechtskräftig bleiben. Nach wie vor sind viele Investitionsentscheidungen mit einem hohen Risiko verbunden.

Zu beiden offenen Themen gibt es nun die erste Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs. Dass gerade das seit zwei Jahrzehnten heftig umkämpfte Wasserkraftwerksprojekt an der Schwarzen Sulm ein weiteres Mal für künftige Judikaturzitate verantwortlich zeichnen wird, verwundert dabei nicht.

Wo NGOs dabei sein dürfen

In der Entscheidung RA 2018/07/0380 stellt der VwGH klar, dass Umweltorganisationen nicht unbeschränkt in allen Umweltverfahren und zu allen Umweltthemen Parteistellung haben. Wie schon zuvor von den Landesverwaltungsgerichten Vorarlberg und Steiermark in anderem Zusammenhang judiziert, beschränkt auch das Höchstgericht die durch die Aarhus-Konvention gewährte Parteistellung in Umweltrechtsverfahren darauf, die Beachtung der aus den europarechtlichen Umweltvorgaben hervorgegangenen Rechtsvorschriften überprüfen zu lassen.

Noch bedeutsamer für das Projekt Schwarze Sulm und für andere heftig umstrittene Altverfahren ist die zweite Entscheidung (RA 2018/07/0410): In dieser beschränkt der VwGH die "Rückwirkung" des Protect-Urteils des EuGH und damit die Möglichkeit der rückwirkenden Geltendmachung der Parteistellung in bereits rechtskräftig entschiedenen Verfahren jedenfalls einmal auf den 1. Jänner 2009. Vor diesem Termin rechtskräftig gewordene Entscheidungen können von NGOs nicht nachträglich bekämpft werden.

Erst ab 1. Jänner 2009

Die Rechtsstellung einer Umweltorganisation zur Gewährleistung von Vorschriften des Umweltrechtes (hier: als Verfahrenspartei) sei nämlich nicht unmittelbar aus Artikel 9 Absatz 3 Aarhus-Konvention ableitbar. Vielmehr komme es maßgeblich auf die Verbindung mit Artikel 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union an. Erst durch Artikel 47 entsteht nach dieser Entscheidung des VwGH die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Gewährung wirksamen gerichtlichen Schutzes der durch das Recht der Union garantierten Rechte. Und Geltungsbeginn der Grundrechtecharta war der 1. Jänner 2009.

Offen bleibt allerdings die Frage, ob die nach 1. Jänner 2009 bis zur Entscheidung Protect rechtskräftig gewordenen Verfahren anfechtungsfest sind oder nicht. Diese Frage wird in den nächsten Jahren sowohl VwGH als auch EuGH noch mehrmals beschäftigen.