Wegen der niedrigen Beteiligung blieben viele Urnen halbleer.

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Die Beteiligung war extrem niedrig: Nur 21,6 Prozent der Albaner nahmen am Sonntag an der Lokalwahl teil, die von oppositionellen Demokraten boykottiert worden war. Vor vier Jahren lag die Beteiligung noch bei knapp 48 Prozent. Die Verweigerung, am Demokratietest teilzunehmen, liegt wohl auch daran, dass viele Bürger die Machtspiele der Parteien und ihre Inhaltsleere grundsätzlich satthaben.

Seit vielen Jahren bekämpfen Sozialisten und Demokraten einander bis aufs Blut – die Bürger haben nichts davon. Premierminister Edi Rama lud – wohl auch angesichts der niedrigen Wahlbeteiligung – noch am Sonntagabend die oppositionellen Demokraten zum Dialog ein, um gemeinsam für den Beginn von EU-Beitrittsverhandlungen im Oktober zu kämpfen. Die Opposition müsse aber aufhören, im Ausland schlecht über Albanien zu reden.

Widerstand aus der CDU

Der Beginn von EU-Beitrittsverhandlungen wurde im Juni durch die deutsche CDU verzögert. Höchstwahrscheinlich wird dieses Jahr ohnehin nur Nordmazedonien grünes Licht bekommen. Denn in der CDU, aber auch in Frankreich und in den Niederlanden gibt es starken Widerstand gegen Albanien – was auch damit zu tun hat, dass die Demokraten im Ausland Kampagnen gegen die Regierung von Rama lancieren.

Die Opposition begründete ihren Boykott damit, dass die regierenden Sozialisten Stimmenkauf betrieben und mit kriminellen Netzwerken in Verbindung stünden. Tatsächlich mussten in den vergangenen Jahren zwei Innenminister ihr Amt aufgeben, weil sie in Verbindung mit Drogenhändlern standen. Rama wird auch wegen seines autokratischen Stils und seines panalbanischen Nationalismus kritisiert.

Oligarchen im Hintergrund

Die Verbindung zur organisierten Kriminalität ist allerdings nichts Neues in Albanien. Alle Parteien bauen ihre Macht unter anderem auf Oligarchen auf. Berühmt wurde etwa ein Video des heutigen Präsidenten Ilir Meta im Jahr 2011, das ihn beim Versuch zeigt, eine Ausschreibung für ein Wasserkraftwerk zu manipulieren. Auch Stimmenkauf und Wahlfälschung fanden in Albanien immer statt; in den 1990ern waren die Demokraten (DP) berühmt dafür. Bisher hat aber noch keine Partei deswegen die Wahlen boykottiert.

Der Urnengang am Sonntag hatte teils absurden Charakter. In etwa der Hälfte der Gemeinden gab es überhaupt keine Gegenkandidaten zu den sozialistischen Politikern. Die DP akzeptiert weder die Wahlen noch die Resultate. Nun ist offen, wie Gemeinden im Norden, die traditionell von Demokraten geführt werden, mit der Situation umgehen werden. Entscheidend wird wohl die Einschätzung des Verfassungsgerichts sein, das allerdings wegen fehlender Richter erst in ein paar Monaten wieder zu arbeiten beginnen kann.

"Soziale Unruhen"

Der Chef der DP, Lulzim Basha, versuchte, die Schuld für das Chaos der internationalen Gemeinschaft in die Schuhe zu schieben, obwohl er selbst den Wahlboykott angeordnet hatte. Die Internationalen hätten zu wenig darauf reagiert, dass Rama mit dem organisierten Verbrechen in Verbindung stehe, sagte Basha.

Nun könnten "eine gefährliche Situation" und "soziale Unruhen" entstehen, verkündete er. Solche "Unruhen" waren kürzlich von seiner DP bei Demonstrationen organisiert worden. Albanische Parteien versuchen seit Jahren, die EU und die USA für ihre Machtspiele zu instrumentalisieren. (Adelheid Wölfl aus Shkodra, 1.7.2019)