Andrés Escobar bestritt 50 Partien für Kolumbien und traf in seinem vorletzten Länderspiel ins eigene Tor.

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Medellin – Die Art, wie er Fußball spielte, mag vielen nicht mehr erinnerlich sein, vielleicht aber die Vokuhila-Frisur und das Entsetzen im hageren Gesicht, nachdem er zum zwischenzeitlichen 0:1 ins eigene Tor getroffen hatte bei der WM 1994 gegen Gastgeber USA. Andrés Escobar ist so oder so nicht nur in Kolumbien "inmortal", unsterblich, weil ihn dieses Eigentor letztlich das Leben kostete. Am 2. Juli 1994 wurde der Verteidiger von Atlético Nacional in seinem Auto auf dem Parkplatz einer Diskothek in Medellin von sechs Kugeln getroffen. Wenig später starb der 27-Jährige im Spital.

"Eigentor, Andrés, Eigentor", sollen Escobars Mörder gerufen haben. Zehn Tage zuvor war dem Mann mit der Nummer zwei das Missgeschick im Gruppenspiel der Kolumbianer gegen die USA passiert, Escobar war in eine Hereingabe gerutscht und hatte den Ball ins eigene Tor abgefälscht. Eine Alltäglichkeit im Fußball, aber dieser Treffer wurde zum Sinnbild einer nationalen Tragödie. Die Kolumbianer, zermürbt von einem seit 30 Jahren tobenden Guerillakrieg, eingeschüchtert von mächtigen Drogenkartellen, waren, euphorisiert vom 5:0 in der Qualifikation beim damaligen Vizeweltmeister Argentinien, fest davon überzeugt, dass die goldene Generation um Carlos Valderrama ausgerechnet in den USA den Titel holen würde.

Im Hotel der "Cafeteros" wimmelte es nur so von Politikern im Wahlkampf, von Beratern, die Chancen witterten, von Promis und Freunden, die sich im Glanz der Seleccion von Coach Francisco Maturana sonnen wollten. Die Konzentration litt erheblich. Nach einem 1:3 gegen Rumänien bedeutete das 1:2 gegen die USA in Pasadena schon das Aus, das anschließende 2:0 gegen die Schweiz war nur Kosmetik.

Nur El Caballero zahlte

Die Schuld an dem Fiasko trugen viele, bezahlen musste ausgerechnet Escobar, der wegen seiner aufrechten Art "caballero del futbol" genannt wurde. Der Fußballgentleman war an ein skrupelloses Trio geraten. Den Streit mit ihm auf dem Parkplatz zettelten die in Drogenhandel und Geldwäsche verwickelten Brüder Santiago und Pedro Gallon an. Zu 43 Jahren Haft verurteilt für die tödlichen Schüsse wurde aber nur ihr Chauffeur, Humberto Munoz, der 2005 freiging. "Die Gallons haben Geld, Macht und Freunde im Staat", gestand 2014 ein Staatsanwalt der Tageszeitung El Espectador. Viel Geld war gewettet (und gewaschen) worden auf Siege Kolumbiens. Nicht wenige verloren Unsummen und tobten.

Escobars Begräbnis wurde zur Demonstration, 120.000 Menschen kamen, "Kolumbien kann nicht noch mehr Fouls gegen das Leben erlauben", rief Staatspräsident César Gaviria dem Fußballer nach, der seine letzte Ruhestätte unweit des Grabes von Pablo Escobar fand, dem Monate zuvor von Spezialkräften regelrecht zur Strecke gebrachten brutalsten und mächtigsten Drogenbaron.

Heute wäre Andrés Escobar 52, vielleicht Trainer wie sein Bruder Santiago, verheiratet mit seiner damaligen Verlobten Pamela, immer noch ein Idol, wer weiß, selbst in Mailand, denn sein Wechsel zum AC Milan war praktisch fix.

Heuer lancierte Atlético ein weißes Reservetrikot, auf dem Klubemblem statt der Kürzel A und N die 2 und darüber die Inschrift "Inmortal". (sid, lü, 2.7.2019)