Ich steige aus! Nach rund 20 Jahren als Archäologin mag ich einfach nicht mehr. Das liegt nicht zuletzt an den Arbeitsbedingungen in der Archäologie und in der Kulturbranche im Allgemeinen, wo einfach nie genug Zeit oder Geld ist, um die Dinge richtig machen zu können. Viele in unserem Fach hangeln sich von einem befristeten Vertrag zum nächsten – wenn sie überhaupt einen haben. Mit meinem letzten Arbeitgeber war ich auch deshalb sehr zufrieden, weil ich ein sozialversicherungspflichtiges, unbefristetes Beschäftigungsverhältnis hatte. Sogar Weiterbildungen wurden finanziert. Eine unbefristete Vollzeitanstellung konnte mir aber auch dort nicht angeboten werden. Genau das hatte ich aber seit meinem Studienabschluss vor 16 Jahren zu erreichen versucht. Und weil irgendwann einmal genug sein muss mit dem ewigen Hoffen auf bessere Zeiten, habe ich mich entschlossen, der Archäologie den Rücken zu kehren. Nach reiflicher Überlegung hat sich für mich inzwischen ein neuer beruflicher Weg gefunden, den ich ausgesprochen reizvoll finde und ab August beschreiten werde.

Ich mag aber nicht gehen, ohne noch ein letztes Statement bezüglich der Bedeutung von Kommunikation in der Archäologie zu hinterlassen. Kommunikation hat nämlich maßgeblich damit zu tun, wie das Fach in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird – nicht zuletzt auch dann, wenn es um die Notwendigkeit seiner Finanzierung geht.

Geld und Zeit

Ich erinnere mich noch gut, wie ich bei der letzten Tagung der Stadtarchäologie Wien, der Conference on Cultural Heritage and New Technologies, gefragt wurde, wie ich denn als Kommunikationsprofi im Fach Archäologie gelandet sei. Die Frage hatte mich ehrlich erstaunt, denn bis dato hatte ich mich in erster Linie als Archäologin wahrgenommen. Das habe ich schließlich studiert und zwar in Saarbrücken, Klassische übrigens. Ich war eine von jenen Archäologinnen, die nicht nur auf Forschungsgrabungen, sondern vor allem auch auf Not- und Rettungsgrabungen tätig sind – also da, wo es in noch stärkerem Maße als sonst in diesem Fach Leidenschaft und Leidensfähigkeit braucht. Beides ist bei solchen Grabungen besonders nötig, um den diversen Arten von Druck standzuhalten, denen man beim Sichern der archäologischen Quellen in diesem Setting ausgesetzt ist. Wie groß etwa der Zeitdruck ist, hängt ganz massiv davon ab, wie das eigene Standing ist. Wie überzeugend ist man zum Beispiel gegenüber den Bauherren und Baufirmen? Interessieren sich die Menschen vor Ort für die Grabung, und wird sie vielleicht dadurch auch zum Thema in der Gemeindepolitik? Durch Kommunikation kann man an diesen Schräubchen drehen und die Chancen für mehr Geld und Zeit erhöhen.

Trotzdem gehöre ich jetzt, am Ende meiner archäologischen Karriere, noch immer zu einer nur kleinen Gruppe von Menschen in diesem Fach, die über Zusatzausbildungen in professioneller Kommunikation verfügen.

Archäologische Arbeit sichtbarer gestalten, wie hier beim Livestream einer Unterwasserausgrabung im Attersee, hilft unter anderem dabei, das eigene Standing zu verbessern.
Foto: Harlad Hois

Was Kommunikation möglich macht

Die meisten Archäologinnen und Archäologen betreiben Kommunikation nach dem Prinzip "learning by doing". Das muss nicht unbedingt schlecht sein, wie die Veränderungen im Verhältnis von Archäologie und Öffentlichkeit, die sich in den letzten Jahren abzeichnen, meiner Meinung nach eindrucksvoll beweisen. Archäologische Forschung ist inzwischen präsent in den sozialen Medien, und oft sind es nun tatsächlich die Archäologinnen und Archäologen selbst, welche die Kanäle betreiben. Das sah vor ein paar Jahren noch anders aus. Da fand man online vor allem jene Leute, die sich privat für das Thema interessierten – von Citizen Scientists bis hin zu Schatzsuchern. Umso erfreulicher also, dass nun vermehrt auch Archäologinnen und Archäologen selbst sichtbar werden und unter anderem aufzeigen können, was zum Beispiel von der Aussagekraft einer Bodenquelle übrig bleibt, wenn sie nicht fachgerecht behandelt wird.

Das Internet bietet viele Möglichkeiten, über die eigene Arbeit zu berichten, den eigenen Standpunkt ausführlich darzulegen und auch zu zeigen, was genau an diesem Fach so fasziniert. Die Möglichkeit zu haben, endlich selbst dafür sorgen zu können, dass der Öffentlichkeit diese Informationen zur Verfügung gestellt werden, ist großartig.

Trotzdem befassen sich nur wenige Archäologinnen und Archäologen damit, wie Kommunikation eigentlich genau funktioniert, welchen Regeln sie unterliegt. Gar nicht selten bekam ich zu hören, dass man ja früher auch mit den Leuten geredet hätte – auf Grabungen, bei Führungen, nach Vorträgen – und das hätten "die Leut" so auch immer gut gefunden, wie man das gemacht habe. Auch die Journalistinnen und Journalisten seien immer sehr zufrieden gewesen, wie gut man die Informationen aufbereitet habe. Die Zeitungsartikel seien nachher nur dann schlecht gewesen, wenn die wieder mal alles umformuliert hätten. Gut, dass man heute auch andere Möglichkeiten habe.

Bei solchen Gesprächen erscheint vor meinem geistigen Auge automatisch das Sender-Empfänger-Modell von Warren Weaver und Claude Elwood Shannon, den beiden Begründern der Informationstheorie. Das Modell verdeutlicht den Prozess der Informationsübertragung – und dabei geht es ja in der Kommunikation – in einer sehr vereinfachten Form. Natürlich sind die kommunikativen Abläufe in der Realität weit komplexer, aber um ein Grundverständnis für die Herausforderungen der Kommunikation zu entwickeln, ist diese Vereinfachung meiner Meinung nach sehr hilfreich.

Sender-Empfänger-Modell.
Grafik: Carmen Löw

Nach diesem Modell fungieren wir, wenn wir eine Information weitergeben wollen, als Sender. Wir senden sie an einen Empfänger. Dazu müssen wir die Information zunächst in Zeichen verpacken, also encodieren. Unsere Gedanken und Ideen packen wir dabei meistens in Worte, so wie ich das hier gerade tue. Aufmerksame Leserinnen und Leser werden bereits gemerkt haben, dass ich mich hier vor allem an Menschen wende, die in der Archäologie tätig sind. Mir ist klar, dass dieser Beitrag auch von vielen anderen gelesen wird, und ich hoffe sehr, dass es mir gelingt, auch diesen Nichtfachleuten eine spannende, neue Information zu bieten.

Störungen und Missverständnisse

Die Information wird über einen Kanal, zum Beispiel das Internet, an die Empfängerin oder den Empfänger gesendet. Dieser Kanal kann Störungen unterschiedlichster Art unterliegen: Husten im Publikum während eines Vortrags ist ein klassisches Beispiel. Wer auch immer auf der anderen Seite steht beziehungsweise jetzt gerade hier liest, muss die Zeichen kennen, die ich verwende, um sie decodieren zu können. Japanische Schriftzeichen oder die französische Sprache – beides würde vermutlich den Kreis derjenigen, die das hier Geschriebene verstehen können, deutlich einschränken.

Das heißt für mich ebenso wie für alle anderen Sender, dass ich wissen muss, wen genau ich erreichen will und welche Zeichen (zum Beispiel ganz konkret welche Sprache, welche Worte oder Fachbegriffe) für diese Personen verständlich sind. Aus Erfahrung weiß ich, dass die Worte, die ich verwende, nicht immer für alle verständlich sind. Das kann ich nie hundertprozentig verhindern, obwohl ich mir des Problems sehr bewusst bin. Das Dumme an Fachbegriffen ist halt, dass wir sie in unserem Alltag in den Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen so oft verwenden, dass uns gar nicht mehr auffällt, dass diese Worte nicht zum allgemeinen Sprachgebrauch gehören. So ist es übrigens auch mit Inhalten, wenn wir zum Beispiel annehmen, dass es zum Allgemeinwissen gehört, wie die Bronzezeit datiert.

Das war früher, als es mehr oder weniger nur durch PR-Fachleute oder Journalisten vermittelte Kommunikation gab, wesentlich einfacher. Wenn diese Mittelsmänner und -frauen auf unser Gebiet spezialisiert waren, kannten sie unsere Fachbegriffe und konnten sie oft selbst übersetzen. Natürlich ist auch mir bewusst, dass genau das manchmal ordentlich schiefgegangen ist. Ich erinnere mich zum Beispiel an die "Kreuzung" in der Stiftskirche St. Arnual, die eigentlich ein Kreuzgang war. Waren die Medienfachleute nicht auf unser Gebiet spezialisiert, durfte man bei dieser Gruppe von Menschen aber zumindest davon ausgehen, dass sie sich getraut hätten nachzufragen, wenn etwas für sie nicht verständlich war. Unser Gegenüber war also meist eine einzige Person, mit der wir von Angesicht zu Angesicht sprachen, die auf das Gesagte reagiert hat, deren Mimik wir zum Beispiel interpretieren konnten und die vor allem wusste, welche Zeichen die Menschen am Ende der Informationskette verstehen konnten – quasi ein mehrfach hintereinander geschaltetes Sender-Empfänger-Modell, bei dem es auch einen Rücklauf gab, zumindest zwischen uns und diesem zweiten Sender.

Ein letzter Blick auf die Archäologie.
Foto: Carmen Löw

An Schräubchen drehen

Wenn wir mithilfe des Internets – sei es in den Social-Media-Kanälen oder über unsere eigene Website – kommunizieren, fehlt die Hilfe der Journalistinnen und Journalisten bei der Informationsübertragung. Wir müssen deshalb umso genauer darauf achten, die richtigen Zeichen zu verwenden. Die meisten Menschen werden nämlich nicht nachfragen, und zwar auch dann nicht, wenn sie wie auf Facebook oder in den Kommentaren der Blogs die Möglichkeit dazu hätten. Sie tun das insbesondere dann nicht, wenn sie die von uns gewählten Worte nicht verstehen. Es ist doch peinlich, wenn man etwas nicht weiß, dass so offensichtlich zum Allgemeinwissen zu gehören scheint, sonst hätten doch die Autorinnen und Autoren diese Worte gar nicht benutzt!

Wie man allein an diesem kleinen Aspekt schon sieht, ist die Verantwortung, welche die Fachleute für den Kommunikationsprozess heute haben, folglich eine deutlich größere. Dennoch hat das Thema bislang kaum Eingang in die Ausbildung der Studierenden im Fach Archäologie gefunden, und es gibt nach wie vor kaum Trainings für Archäologinnen und Archäologen, wie sie etwa für technische Hilfsmittel wie Geoinformationssysteme immer wieder angeboten werden. Meines Erachtens sollte dringend mehr darüber diskutiert werden, wie man den Bedarf an Kommunikationstrainings decken könnte. Auch die Fragen, welche Tools für die Wissenschaftskommunikation in der Archäologie derzeit generell eingesetzt werden, welche Strategien dahinterstecken und ob sich der Erfolg evaluieren lässt, sollten gestellt werden. Den letzten Punkt finde ich dabei übrigens besonders wichtig, weil die Evaluierung uns dabei hilft, präziser zu arbeiten. Durch sie lernen wir, an welchen Schräubchen wir drehen müssen, damit sich die vielen in die Kommunikation gesteckten Stunden auch auszahlen.

Tschüss, Archäologie!

Ich verabschiede mich deshalb aus meinem einst so innig geliebten Fach mit einem Gemisch aus Hoffnung und Sorge: Hoffnung, dass die junge Generation, geprägt von ihren zielorientierten Studienvorgaben, es schaffen wird, eine zielgerichtete, das heißt professionelle, Kommunikation im Fach zu etablieren. Und Sorge natürlich, weil ich weiß, wie viel an "Wiss ma eh! Kenn ma scho! Hamma imma scho gmocht!" der Umsetzung der notwendigen Schritte im Weg stehen wird.

Auch deshalb bin ich meinem letzten Arbeitgeber, dem Kuratorium Pfahlbauten, so dankbar. Ich durfte dort meine Vorstellung von Kommunikation in der Archäologie präsentieren und gemeinsam mit einem sehr engagierten und mutigen Team, das auch selbst viel Input geliefert hat, weiterentwickeln und umsetzen. Dafür einen herzlichen Dank an das gesamte Team und besonders an Cyril Dworsky, dessen unkonventionelle Art es mir – schon frustriert nach vielen Jahren in diesem Job – ermöglicht hat, eine Vision zu entwickeln, wie es anders gehen könnte und sollte, und diese auch auszuprobieren. (Carmen Löw, 4.7.2019)