Der Frust über Österreichs Klimapolitik hat zuletzt tausende junge Menschen auf die Straße gebracht. Sie fordern ambitioniertere Maßnahmen.

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Die Liste jener, die Kritik am Entwurf des Energie- und Klimaplans Österreichs (NEKP) üben, wird länger. Nach Umweltorganisationen und der Europäischen Kommission – die das Papier in zahlreichen Punkten kritisierte – haben nun auch Wissenschafter den Entwurf unter die Lupe genommen. Deren Zeugnis fiel schlecht aus: Die Umsetzung des EU-Mindestziels für Österreich – eine 36-prozentige CO2-Reduktion bis 2030 gegenüber 2005 – sei angesichts des präsentierten Entwurfs "aus wissenschaftlich-technischer Sicht de facto unmöglich", hieß es am Dienstag bei einer Pressekonferenz des Climate Change Centre Austria (CCCA). Den Pariser Klimazielen werde der Entwurf "in keiner Weise gerecht", so Klimaphysiker Gottfried Kirchengast.

Die Organisation, die sich aus Österreichs führenden Wissenschaftern im Bereich der Klimaforschung zusammensetzt, hat daher auf eigene Faust Verbesserungsvorschläge formuliert. Ein erster Entwurf dazu wurde am Dienstag präsentiert, die finale Version soll im Herbst vorliegen – und der Regierung zur Verfügung gestellt werden. Diese hat bis Jahresende Zeit, um den Entwurf nachzuschärfen und den fertigen Plan nach Brüssel zu schicken.

Abbau klimaschädlicher Subventionen

Als unumgänglichen Punkt für den Klimaplan nannten die Wissenschafter die Einführung einer sozialökologischen Steuerreform. Beispielmaßnahmen seien etwa Emissionen aus fossilen Rohstoffen mit einem Preis zu versehen, wie auch die Streichung klimaschädlicher Subventionen. Würden diese mit "Augenmaß abgebaut werden", so Kirchengast, wären "zehn bis 15 Milliarden Euro zu holen". Eine Benachteiligung sozial schwächerer Haushalte soll durch einen sogenannten "Ökobonus" bzw. durch Anpassungen im Lohnkostensektor vermieden werden.

Die Belastung, die auf die Republik aufgrund der bisherigen Klimapolitik zukommt, sei nach Angaben des Wissenschafters jedoch um einiges höher. Wie berichtet, muss Österreich voraussichtliche Emissionszertifikate in Milliardenhöhe zukaufen. Aber auch andere Posten belasten: so etwa Subventionskosten für fossile Technologien, Wertschöpfungsverluste aufgrund des Importes von fossiler Energie und Schäden, die durch den Klimawandel entstehen. Geht es weiter wie bisher, könnte laut Kirchengast zwischen 2021 und 2030 ein Gesamtschaden zwischen 30 und 40 Milliarden Euro auf den Staatshaushalt zukommen.

Im EU-Vergleich weit hinten

Österreich hätte in den vergangenen Jahrzehnten im Bereich der Klimapolitik im europäischen Vergleich schlechte Arbeit geleistet, meinen die CCCA-Forscher. Die Republik gehöre zu den fünf letzten Staaten der EU-28, deren Emissionen in den 2010er-Jahren weiterhin höher seien als in den 1990er-Jahren. Besonders scharfe Kritik fand Kirchengast, der die Wissenschaft im nationalen Klimaschutzkomitee vertritt, für die türkise Klimapolitik: "Die Führungsrolle, die notwendig gewesen wäre, wurde vom ehemaligen Kanzler nicht wahrgenommen."

Auch das am Montag von Ex-Kanzler Sebastian Kurz präsentierte Klimapaket sei "nicht ernsthaft genug", meint der Experte. Für die Erreichung der Pariser Klimaziele sei unter anderem eine CO2-Bepreisung notwendig. Diese würde in Österreich allerdings von "einer relativ kleinen Gruppe verhindert" werden.

Dass eine solche Steuer möglich sei, zeige ein Blick nach Schweden, argumentiert Klimaökonomin Sigrid Stagl von der Wirtschaftsuniversität Wien: Dort wurde in den 1990er-Jahren eine CO2-Abgabe eingeführt, heute betrage diese rund 118 Euro pro Tonne: "Die schwedische Wirtschaft ist auch nicht zusammengebrochen, im Gegenteil." Die Wissenschafter wünschen sich von der nächsten Regierung jedenfalls mehr "staatsmännische oder staatsfrauliche Verantwortung".

Klimawandel sorgt und interessiert

Der Klimawandel könnte im Wahlkampf jedenfalls zu einem entscheidenden Faktor werden, wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Sora zeigt. Für die von dem oberösterreichischen Umweltlandesrat Rudi Anschober (Grüne) in Auftrag gegebene Studie wurden 700 Oberösterreicher ab 16 Jahren befragt.

46 Prozent von ihnen gaben an, dass sie der Klimawandel sorgen würde, 39 Prozent zeigten sich "ziemlich besorgt". Am höchsten war der Wert bei Frauen über 45 Jahren. Drei Viertel der Befragten sagten, dass eine aktive Klimapolitik notwendig wäre, um den eigenen Kindern eine lebenswerte Zukunft zu sichern. Gleichzeitig hielten knapp zwei Drittel die dahingehenden Aktivitäten der Regierung für zu gering. (Nora Laufer, 2.7.2019)