Bis zu 50 Frauen verarbeiten in der "Rose vom Berg Radan" in Handarbeit Gemüse.

Wien – Hans-Jörg Hummer lässt der Balkan nicht los. "Ich kenne die Länder, ich kenne die Leute und spreche ihre Sprache." Viele Jahre lang arbeitete er in der Entwicklungszusammenarbeit, bis ihn berufliche Veränderungen zurück nach Wien führten. Der Wille, eine Brücke zu einer der ärmsten Regionen Südosteuropas zu schlagen, blieb.

Als Fundament dienen Hummer mediterrane Lebensmittel. Ajvar etwa, Pindur und Malidano: pikante Pasten, Aufstriche und Muse aus Paprika, die in hoher biologischer Qualität abseits von Industrieware hierzulande nach wie vor Mangelware sind.

Die Jungen wollen weg

In kleinen Gläschen importiert er Spezialitäten des Balkans nun mit zwei Partnern nach Österreich. Sein Ziel ist es, die kulinarische Tradition einer ganzen Region im deutschsprachigen Raum abzubilden – und damit wirtschaftlich nachhaltige Strukturen für Kleinbauern und Manufakturen zu schaffen, denen trotz lokalen Erfolgs finanziell die Kraft auszugehen droht. Der Unternehmer erzählt von entlegenen Dörfern im Süden Serbiens, wo das durchschnittliche Einkommen bei 350 Euro im Monat liegt, bei allerdings fast annähernd gleich hohen Lebenshaltungskosten wie in Österreich. "Alle Jungen wollen weg." Die starke Landflucht führe zu einem Mangel an saisonalen Arbeitskräften, paradoxerweise trotz einer Arbeitslosenrate von bis zu 60 Prozent.

Bauern seien mit ihren ein, zwei Hektar Land überwiegend Selbstversorger und isolierte Einzelkämpfer. Einmal die Woche böten sie ihre Produkte auf den lokalen Märkten an, andere Einkommensquellen fehlten.

Hummer sieht nach dem Zerfall Jugoslawiens und dem Niedergang der Industrie in der Landwirtschaft dennoch eines der letzten verbliebenen Potenziale des Landes.

Brücke nach Südosteuropa

Er gründete die Marke Biobalkan, fand in einem sozialen Betrieb in der Gemeinde Lebane in Serbien einen Kooperationspartner und half Landwirten dabei, ihre Produktion auf Bio umzustellen. Vier Jahre Vorarbeit waren nötig. Seit März sind die Früchte der Zusammenarbeit der Balkan Express Handels GmbH in Österreich erhältlich.

Das Unternehmen finanziert Bauern deren Ernten vor und bietet der Manufaktur sichere Abnahmen und Preise. Bis zu 50 Frauen finden in "Radanska Ruža", der "Rose vom Berg Radan", bei der händischen Verarbeitung von Paprika, Auberginen und Paradeiser Arbeit. Es sind Frauen, die ansonsten keine Aussicht auf Jobs hätten, sagt Hummer – weil sie nie außerhalb ihres Familienverbands gearbeitet hätten oder alleinerziehende Mütter seien. Radanska Ruža sei zudem der einzige Betrieb in weitem Umkreis, der Menschen mit Behinderung einstelle. Staatliche Hilfe erhalte er dafür keine.

Am Sprung nach Deutschland

Biobalkan findet in Naturkostläden, modernen Greißlern und Bäckern erste Abnehmer. Im Herbst will das kleine Unternehmen den Sprung in die Biokette Dennree schaffen und in der Folge nach Deutschland exportieren. Auch Süßes kommt ins Sortiment, aus Feigen etwa, Granatäpfeln und Haselnüssen. Kulinarisch expandiert wird dafür nach Herzegowina und Mazedonien. (Verena Kainrath, 3.7.2019)