Überaus komplex ist die Sache mit den Abgasreinigungssystemen, sagt Daimler. Die Gerichtsprozesse sind es auch.

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Mercedes-Besitzer sollten sich auf das volle Programm einstellen, wenn sie vom Stuttgarter Autobauer für ihr vom Dieselabgasskandal betroffenes Fahrzeug Schadenersatz begehren. Das zeigt der Fall eines Fahrzeughalters, der am Landesgericht Salzburg gegen den Fahrzeughändler und die Daimler AG auf Rückabwicklung des Kaufs seines Mercedes-Benz C 180d am 25. April 2016 geklagt hat.

Denn wohl hat sich Daimler mit dem deutschen Bundesverkehrsministerium und der für die EU-weite Zulassung der Fahrzeuge zuständigen deutschen Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) darauf verständigt, bei bestimmten Fahrzeugmodellen eine schnelle und effektive Verbesserung der Abgasemissionen und damit zusammenhängender technischer Funktionen innerhalb des Motorsystems durch Software-Updates vorzunehmen. Auch hat Daimler angekündigt, rund 700.000 Fahrzeuge aus diversen Modellreihen – von Mercedes bis Vito – weltweit zurückzurufen, unter anderem, weil Grenzwerte für Stickoxid-Ausstoß überschritten würden.

Kein Schuldeingeständnis

Als Zugeständnis oder gar Schuldeingeständnis dürfen die in Rückrufschreiben an Kunden sogar als "unzulässige Abschalteinrichtung" bezeichneten "spezifischen Kalibrierungen von Funktionalitäten in der Motorsteuerung" augenscheinlich aber nicht verstanden werden. Denn in der Klagebeantwortung, die dem STANDARD vorliegt, bestreitet die zweitbeklagte Daimler AG alles – selbst was von diversen Oberlandesgerichten in VW-Verfahren längst geklärt wurde. Das Landesgericht Salzburg sei für die Causa international wie örtlich unzuständig, denn Daimler habe seinen Sitz in Stuttgart. Daher sei, anders als beim erstbeklagten Händler, nicht österreichisches, sondern deutsches Recht maßgeblich. "Der Kläger versucht missbräuchlich, die zweitbeklagte Partei über den Umweg einer Klage gegen die erstbeklagte Partei vor ein österreichisches Gericht zu zwingen", weist Daimler alle Verantwortung von sich. Überhaupt habe die Daimler AG weder eine unerlaubte Handlung gesetzt noch sei das Kfz von einem Abgasmanipulationsskandal betroffen – und schon gar nicht wäre der Mercedes-Halter in die Irre geführt worden.

Womit klar ist: Wenn es hart auf hart geht, droht dem Verkäufer des Fahrzeugs, diesfalls einer der renommiertesten Mercedes-Händler Österreichs, auf dem Schaden sitzenzubleiben. Er müsste sich im Fall einer rechtskräftigen Verurteilung beim Importeur respektive bei der Daimler AG regressieren.

Volle Härte

Juristischer Hintergrund dieser harten Haltung dürfte sein: Anders als Volkswagen hat die Daimler AG den Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamts nicht akzeptiert, sondern bekämpft die behördliche Vorgangsweise notfalls bis zum Gericht – wie zuletzt bei dem vom KBA im Juni verhängten Zwangsrückruf. Dabei muss die Stuttgarter Nobelschmiede rund 60.000 Geländewagenmodelle (GLK 220) in die Werkstätten holen, die zwischen 2012 und 2015 produziert wurden. Das KBA wirft Daimler vor, eine illegale Abschaltvorrichtung zur Abgasmanipulation eingesetzt zu haben. Daimler bestreitet dies.

So unbeteiligt sich Daimler im Salzburger Schadenersatzprozess gibt: Die bereits angelaufenen Fahrzeugrückrufe werden mit einer Vehemenz verfolgt, die über das seinerzeit von Volkswagen an den Tag gelegte Pflichtbewusstsein weit hinausgeht – insbesondere vor dem Hintergrund der in Abrede gestellten Abgasmanipulationen. Eine Nichtdurchführung des Software-Updates könne zur Rücknahme der Zulassung und somit zu einer behördlichen Stilllegung des Fahrzeugs führen. Auch Änderungen der Zulassung (Ummeldung, Neuzulassung) könnten ohne Software-Aktualisierung unzulässig sein, sie seien daher zu unterlassen, heißt es in einem Rückrufschreiben.

"Das Versprechen, dass ein Software-Update keine Verschlechterung bringt, ist seit dem VW-Skandal schlicht nicht mehr glaubwürdig", kontert der auf VW-Klagen Klägeranwalt Michael Poduschka.

Am Mittwoch, wird in Salzburg der Kläger einvernommen, und Richterin Marlene Aschauer will einen Kfz-Sachverständigen engagieren, der das Abgasverfahren unter die Lupe nimmt. (ung, 3.7.2019)