"Im Tourismus sind Innovationen meist nicht so spektakulär wie in Technologiebranchen", sagt Petra Binder, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Tourismus-Management der Fachhochschule Wien der Wirtschaftskammer Wien (WKW). "Hier treten eher inkrementelle als radikale Innovationen auf." Typisch ist zum Beispiel das Angebot von neuen Nischenprodukten für klar definierte Zielgruppen. Beispielsweise für Familien, aber auch für Menschen mit Behinderung, für Dialysepatienten oder Demenzkranke – Menschen also, für die ein Urlaub im herkömmlichen Sinn oft nicht möglich ist.

Wollen Hotels nicht den Anschluss an neueste Entwicklungen verpassen, müssen sie in ihre Mitarbeiter investieren.
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Diese neuen Angebote werden häufig in Kooperation mit externen Partnern entwickelt. Denn: "Die österreichische Hotellerie ist kleinstrukturiert, häufig sind es Familienbetriebe. Es gibt kaum eigene F&E-Abteilungen, deshalb sind Netzwerkbeziehungen besonders wichtig für Tourismusbetriebe", sagt Binder.

Blick über den Tellerrand

Der Zusammenhang zwischen Netzwerken und Innovationsfähigkeit ist in der sozialwissenschaftlichen Forschung gut untersucht und belegt. Allerdings, so Binders Diagnose, wird oft unterstellt, dass Wissen, welches man in Netzwerken erwirbt, direkt in Innovation umsetzbar sei. Dem stellt die Wissenschafterin ihre These gegenüber, dass der Zusammenhang vielmehr ein indirekter, vermittelter ist. Diesem sogenannten "Mediatoreffekt" geht sie in ihrer Forschung auf den Grund.

Eine zentrale Rolle spielt dabei das Konzept der "absorptive capacity" (dt. etwa "Aufnahmefähigkeit"). Diese Kennzahl misst die Fähigkeit eines Unternehmens, nützliches Wissen als solches zu erkennen, intern zu verarbeiten und gewinnbringend umzusetzen. Wie lassen sich diese Fähigkeiten verbessern? "Es ist klar, dass ein Hotelbetrieb nur begrenzte Ressourcen hat", meint Binder. "Aber es gibt niederschwellige Ansatzpunkte. Sich etwa bewusst Gedanken darüber zu machen, mit wem man eigentlich zusammenarbeiten will. Oder wo man das benötigte Wissen überhaupt herbekommen kann."

Individuelles Wissen

Dafür sollte man zuweilen über den eigenen Tellerrand blicken und mit branchenfremden Organisationen kooperieren. So können ganz neue Sichtweisen hereinkommen. Aber auch die verstärkte Vernetzung mit regionalen und überregionalen Tourismusorganisationen ist natürlich unbedingt empfehlenswert. Besonders wichtig sind die eigenen Mitarbeiter und das individuelle Wissen, das diese einbringen können. Hemmend wirkt dabei allerdings die typische Beschäftigungsstruktur im Tourismus.

Oft werden Saisonarbeiter beschäftigt, die Fluktuation ist hoch. Das senkt tendenziell die Bereitschaft von Unternehmen, Mitarbeiter systematisch einzubinden. Darauf hat die Forscherin eine klare Antwort: "Man kommt als Betrieb nicht darum herum, in seine Mitarbeiter zu investieren, zum Beispiel durch Trainings oder spezifische Zusatzausbildungen." Denn nur so würden auch Hotels nicht den Anschluss an neueste Entwicklungen verpassen. Die Ergebnisse ihrer Forschung fließen auch in Binders Dissertation ein, die sie demnächst an der Wirtschaftsuniversität Wien verteidigen wird. (Raimund Lang, 6.7.2019)