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In China ist Überwachung allgegenwärtig – und das sollten auch Reisende wissen.

Foto: Andy Wong / AP

Der Verdacht, dass chinesische Grenzbehörden die Smartphones von Einreisenden durchsuchen, besteht schon länger. Eine gemeinsame Recherche von "Süddeutscher Zeitung", "Guardian", "New York Times", NDR und "Vice Motherboard" liefert nun aber erstmals konkrete Beweise. Und diese liefert nicht zuletzt einen guten Einblick, wie umfassend – und gleichzeitig auch banal – die totale Überwachung in dem asiatischen Land ist.

"Feng Cai"

Wer China über dessen westlichste Grenze betritt, hat eine sehr gute Chance, dass anschließend ein Stück Spionagesoftware auf seinem Android-Smartphone zu finden ist – wird doch dort routinemäßig eine App namens Feng Cai auf die Geräte von Reisenden installiert, wie ein Selbstversuch der "Süddeutschen Zeitung" belegt. Dabei war man einem Hinweis von Touristen gefolgt, die diese Software nach dem Grenzübertritt auf ihrem Smartphone vorfanden. Die weitere Recherche zeigte, dass es sich dabei um keinen Einzelfall handelt. Die App, deren Name auf Deutsch mit "sammelnde Honigbienen" übersetzt werden kann, wird zumindest an dem betreffenden Grenzübergang routinemäßig eingesetzt. Egal ob Lkw-Fahrer, Anwohner oder europäische Touristen – alle werden sie an dieser Stelle zum Ziel der chinesischen Spionage.

Politische Brisanz

Dass gerade dieser Grenzübergang so strikt überwacht wird, stellt dabei keine Überraschung dar, verbindet er doch Kirgisien mit der chinesischen Region Xinjiang. Dort lebt die muslimische Minderheit der Uiguren, die sich auch sonst zahlreicher Repressalien durch die Zentralregierung ausgesetzt sieht. Dazu gehört etwa eine fast flächendeckende Videoüberwachung, bei der auch Gesichtserkennung eingesetzt wird, um die Aktivitäten einzelner Personen gezielt verfolgen zu können.

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Umfassender Einblick

Der Ablauf der Installation der Spionagesoftware ist dabei denkbar einfach: Die Grenzbeamten zwingen Einreisende kurzerhand dazu, ihre Geräte zu entsperren und abzugeben. In der Folge verschwinden sie in einen anderen Raum, wo die betreffende App dann aufgespielt wird. Zu deren Funktionalität gehört unter anderem das Auslesen des gesamten Adressbuchs, auch SMS, E-Mails und Account-Informationen zu chinesischen Social-Media-Seiten werden mittels WLAN direkt in eine zentrale Datenbank überführt.

Zusätzlich überprüft Feng Cai aber auch sämtliche lokal gespeicherten Dateien. Diese werden mit einer Datenbank von 70.000 digitalen Fingerabdrücken abgeglichen. Bei einigen hundert davon ist es Sicherheitsexperten gelungen, den Wert auf die gesuchte Datei zurückzuführen. Dies ermöglicht einen kleinen Einblick, wonach die chinesischen Behörden hier suchen. Einen bedeutenden Teil machen offenbar islamistische Inhalte wie Propagandazeitschriften oder auch Videos aus. Zudem werden aber auch Werke zum Dalai Lama sowie die Musik der japanischen Metal-Band Unholy Grave gesucht. Letztere dürfte in die betreffende Liste aufgenommen worden sein, da sie ein Lied in ihrem Repertoire hat, dessen Titel sich mit "Taiwan: Ein anderes China" übersetzen lässt.

Ablauf

Die Oberfläche der App ist dabei denkbar simpel gehalten: Es gibt zwei Schaltflächen, eine zum Start der Untersuchung, eine zweite, um die Spyware wieder zu löschen. Da die App auch sonst keinerlei Anstalten macht, ihre Anwesenheit zu verschleiern, liegt der Verdacht nahe, dass sie nie zur dauerhaften Installation bestimmt war. Dass sie nun öffentlich wird, dürfte also schlicht daran liegen, dass die Grenzbeamten vergessen haben, Feng Cai nach verrichtetem Spionagewerk wieder zu entfernen.

Feng Cai taucht sogar im App-Launcher von Android auf. Die Spyware macht also keinerlei Anstalten, ihre Existenz zu verbergen.
Grafik: Guardian

Die Beschränkung dieser App auf Android-Geräte bedeutet übrigens nicht, dass sich Apple-Nutzer in Sicherheit wiegen können. Augenzeugenberichte sprechen nämlich davon, dass auch iPhones von den Grenzbehörden regelmäßig abgenommen werden. Für deren Analyse wird aber offenbar ein eigenes Gerät genutzt, in das das Smartphone kurzerhand eingesteckt wird. Was dort konkret passiert, ist ohne direkten Einblick natürlich nicht mit letzter Sicherheit zu sagen. Von der Beschreibung her erinnert dies aber an kommerzielle Spionagehardware, wie sie etwa auch westliche Geheimdienste und Polizeibehörden nutzen, um auf die iPhones von Verdächtigen zuzugreifen. Es ist also davon auszugehen, dass auch hier umfassend die darauf gespeicherten Daten ausgelesen werden.

Tipps

Für Reisende dient der Bericht nicht zuletzt als Erinnerung daran, dass man sich vorab gut überlegen sollte, ob man Smartphone oder Laptop wirklich nach China mitnehmen will. Lässt sich dies nicht vermeiden, empfiehlt sich zumindest, die Menge an mitgenommenen Daten auf das absolute Minimum zu beschränken und auch möglichst in keine sensiblen Accounts eingeloggt zu sein. (apo, 3.7.2019)