Der Strom für die Waschmaschinenladung kommt von der Photovoltaikanlage des Nachbarhauses. Per App starte ich die Maschine direkt vom Schreibtisch aus, und zwar zu Mittag, wenn die Anlage den meisten Strom erzeugt. Mein E-Auto lade ich an der Ladestation, die vom Wohnprojekt am Rande meines Grätzels betrieben wird.

Photovoltaikanlage der Zotter-Schokoladen-Manufaktur. Der Strom wird in der Schokoladenproduktion eingesetzt.
Foto: Regine Hendrich/Derstandard

So oder so ähnlich wird unser Stromverbrauch in Zukunft aussehen. Auf dem Energiemarkt werden private Haushalte eine wichtige und aktive Rolle übernehmen. Und wir werden jederzeit wissen, ob der Strom, den wir beziehen, klimaschonend erzeugt worden ist.

Die Entwicklung der letzten Jahre weist klar in diese Richtung: In Österreich gibt es seit einigen Jahren sogenannte Bürgerkraftwerke. Aktuell werden 26 Sonnenkraftwerke und vier Windräder in Wien und Niederösterreich im Rahmen dieses Beteiligungsmodells betrieben. Einzelne Haushalte können seit Jahren den überschüssigen Ökostrom aus der eigenen Photovoltaikanlagen in das öffentliche Stromnetz einspeisen.

Lokale Netzwerke

In Zukunft werden wir alle zum Stromproduzenten: Wir werden gleichzeitig nachhaltige Energie produzieren und von anderen erzeugte Energie konsumieren. Selbst produzierter Strom wird nicht wie bisher einfach ins große Netz eingespeist. Mithilfe der Blockchain-Technologie kann die selbsterzeugte Energie direkt innerhalb kleiner Nachbarschaftsnetzte gehandelt werden.

Das Brooklyn Microgrid ist bisher das bekannteste Beispiel. Es handelt sich dabei um ein autonomes Energiesystem im berühmten New Yorker Stadtteil, das ohne einen großen Energieversorger funktioniert. Derartige dezentrale Mikrostromnetze gibt es inzwischen überall auf der Welt, auch in Wien. Im Viertel Zwei, einem Stadtentwicklungsprojekt, wird seit einiger Zeit das Solarstrom-Sharing per Blockchain erprobt.

"SOV – Social Vehincle" mit einem Solarpanel. Zu sehen derzeit in der Ausstellung "Klimawandel!" im Wiener MAK.
Foto: Stefan Lux/MAK

"Bürgertankstellen"

Blockchain-Anwendungen könnten in Zukunft auch den Ausbau der flächendeckenden Infrastruktur für E-Mobilität vorantreiben. E-Autos und E-Fahrräder werden dann an "Bürgertankstellen" geladen. Der überschüssige Strom aus umliegenden privaten Ökostromanlagen kann hier per Blockchain gehandelt werden. Wie das aussehen könnte, wird derzeit vor dem Museum für angewandte Kunst (MAK) demonstriert. Im Rahmen der Ausstellung "Klimawandel!" demonstriert das Designprojekt "Citizen Socket" die Umsetzung des Stromhandels im öffentlichen Raum.

Damit der am eigenen Dach oder am Dach des Nachbars produzierte Solarstrom auch optimal genutzt wird, haben zwei Studenten der TU-Graz eine App entwickelt. Mit ihr können die Waschmaschine oder andere Geräte dann gestartet werden, wenn die Photovoltaikanlage den meisten Strom erzeugt. In Zukunft wird vielleicht das autonome E-Mobil auch nur dann zur "Bürgertankstelle" in der Nähe des Büros fahren, wenn gerade günstiger Ökostrom verfügbar ist. (red., 3.7.2019)