Er solle bleiben, wie er ist. Diesen Rat gab Wolfgang Eder (li.) seinem Nachfolger Herbert Eibensteiner (re.) mit auf den Weg.

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Linz/Wien – Nach der Präsentation der Zahlen für das Geschäftsjahr 2018/19 (per 31. März) wurde der stets um Nüchternheit bemühte scheidende Voestalpine-Chef Wolfgang Eder am Mittwoch doch sentimental. Er wisse die Voestalpine in guten Händen, streute er seinem Nachfolger, dem Stahlexperten und Voest-Urgestein Herbert Eibensteiner, Rosen.

So geordnet Eder das nicht nur an bewegter Industriegeschichte reiche Haus Voestalpine auch übergibt: Angesichts von Handelskrieg, Energiewende und Klimawandel wird es dem Sechservorstand rund um Eibensteiner an Herausforderungen nicht mangeln. Gesucht ist treibhausgasarme Stahlproduktion.

Von Handelsstreit bis Zukunftstechnologien

Auch Logistik und Produktionsbereiche seien bei einem anhaltenden Handelskonflikt zu überdenken, wenn Schutz- und Strafzölle die interkontinentale Auslieferung von Stahl- und Edelstahlprodukten über Hubs erschweren bzw. unrentabel machen und diese Nachteile mit lokaler Eigenproduktion auf Schlüsselmärkten wie USA, Brasilien oder China ausgeglichen werden müssten.

Zu den zentralen Themen, die unter Eder vorangetrieben wurden, gehört die Wasserstofftechnologie. In der Elektromobilität hingegen sieht man vor allem eine Brückentechnologie, bei der man auf der Komponentenseite bereits kräftig mitmischt. Nicht auszuschließen, dass der Stahl- und Verarbeitungskonzern in sieben bis zehn Jahren selbst E-Motoren baut.

Im Gegensatz zu seinen Vorgängern an der Voest-Spitze wird Eibensteiner seinen Vorgänger nicht los, denn Eder wechselt direkt in den Aufsichtsrat. Vorerst nicht als Präsident, das verbietet der Corporate Governance Codex, aber als einfaches Mitglied.

Kein "Frauenproblem" mehr

Gelöst wurde in der Hauptversammlung am Mittwoch das "Frauenproblem". Mit Ingrid Jörg (Aerospace & Transportation, Constellium) und der Generaldirektorin der Vienna Insurance Group, Elisabeth Stadler, ziehen Topmanagerinnen in das Kontrollgremium des "Männervereins" ein. Mit Arbeiterkammer-Direktorin Maria Kubitschek sind es sogar drei – ein absolutes Novum in der Stahlwelt.

Ungewöhnlich ist im Rückblick auch Eders Abgang. Seit Herbert Koller in den 1970er-Jahren sei kein Voest-Chef Vorstandschef "geordnet in den Ruhestand getreten", sagte der 1978 in die Voestalpine eingetretene Langzeitchef. Er spielte damit nicht nur auf die vorzeitigen Generaldirektors-Ablösen aufgrund wirtschaftlicher Krisen und Umstrukturierungen in den 1980er- und 1990er-Jahren an, sondern auch auf seine Vorgänger Peter Strahammer (beim Bergsteigen verunglückt) und Franz Struzl an. Letzterer musste seinen Sessel 2004 nach einem Insiderhandelsskandal räumen.

Langer Abwehrkampf

"Das Wehren gegen das Gefressenwerden" durch den bis zum Börsengang als VA Stahl bis in den letzten Winkel verpolitisierten (und von Gewerkschaftern durchsetzten) Konzern habe viel Kraft gekostet, sagte Eder mit Blick auf Skandale und Zerreißproben in Österreichs staatlichem Industriekonglomerat: Waffenproduktion (Noricum), Ölspekulationen (Intertrading) und Stahlkrise samt Massenkündigungen und -pensionierungen – Eder war an Niedergang, Aufräumen und Neustart stets nah dran, erst als Generalsekretär, dann im Management und Vorstand.

Nach dem Börsengang 1995 begann die Internationalisierung und Spezialisierung, unter anderem als Autozulieferer. Der Verkauf des Staatsanteils an Frank Stronachs Magna unter Schwarz-Blau scheiterte an der öffentlichen Empörung.

Seit der Vollprivatisierung vor 15 Jahren geben oberösterreichische Kernaktionäre, Raiffeisenlandesbank Oberösterreich (13,54 Prozent) und Oberbank (8,04 Prozent), den Ton an – und natürlich die Voestalpine-Mitarbeiterstiftung. Sie ist mit 14,09 Prozent größter Einzelaktionär des auf 13,6 Milliarden Euro Umsatz angewachsenen Konzerns, zu dem seit fast zehn Jahren auch die einstige Edelstahlschwester Böhler gehört. (ung, 3.7.2019)