Zu den schönsten Legenden, die unser Heimatland zu bieten hat, gehört jene vom "österreichischen Weinwunder". Laut dieser Geschichte wurde der Aufstieg des österreichischen Weins zu hoher Qualität und internationalem Ansehen erst durch den 1985 aufgedeckten Weinskandal ausgelöst. Die damals enthüllten Machenschaften skrupelloser Winzer hätten zu neuen, strengen Gesetzen geführt, die weltweit als vorbildlich gelten und Panschern das Handwerk legen.

Dürfen wir uns nun eine ähnliche Wirkung vom Ibiza-Skandal 2019 erhoffen? Theoretisch ja, die Praxis schaut derzeit leider anders aus.

Zu den schönsten Legenden, die unser Heimatland zu bieten hat, gehört jene vom "österreichischen Weinwunder".
Foto: APA/St.Gallen-Bodensee Tourismus

Um beim Vergleich mit dem Weinskandal zu bleiben: Nach einer ersten Schrecksekunde und Rücktritten im Präsidium des Winzerverbandes versucht man nun jenen anonymen Hinweisgeber auszuforschen, der mit einer an die landwirtschaftlich-chemische Bundesbehörde geschickten Probe des mit Glykol versetzten Weins die Betrüger entlarvt hatte. Weiters fordern 44.750 überzeugte Frostschutzmitteltrinker nicht nur Straffreiheit für den Hauptpanscher, sondern auch seine Unterstützung durch EU-Fördergelder. Der erwischte Fälscher sieht sich als Opfer der "Sauerwein-Mafia", bezeichnet das Beimengen von Diethylenglykol als "b'soffene G'schicht" und hat sein Weingut zwischenzeitlich seiner Frau überschrieben. Seine Geschäftspartner finden das okay und begegnen der öffentlichen Empörung mit der Behauptung, alle anderen Weinhauer würden auch panschen, die hätte man halt nur noch nicht dabei erwischt.

Pulverisierte Hoffnung

Die Hoffnung auf neue, strenge Gesetze wurde dieser Tage in einem gemeinsamen Kraftakt von FPÖ, SPÖ und Liste Jetzt pulverisiert. Dass just jene von Heinz-Christian Strache im Ibiza-Video skizzierte Umgehung der Parteienfinanzierungsgesetze durch Scheinvereine weiterhin nicht sanktioniert wird, ist so, als hätte das 1985 beschlossene Weingesetz ausdrücklich das Abfüllen von als Wein deklarierten Frostschutzmitteln straffrei gestellt. Noch absurder ist nur die Tatsache, dass der Rechnungshof die Angaben der Parteien zu ihren Spendern weiterhin nicht überprüfen darf. Das entspricht einem Weingesetz, das staatlichen Prüfbehörden die Analyse der eingereichten Weine untersagt.

Die frechste Rechtfertigung für diesen speziellen Unfug lieferte Herbert Kickl mit seiner Aussage, der Rechnungshof sei ja "ein politisches Organ". Das könnte man theoretisch über jede prüfende Behörde von Lebensmittelpolizei bis Finanzamt behaupten – ob man damit tatsächlich einer Prüfung entgehen kann, ist eher fraglich. Aber in der Welt des "Das Recht muss der Politik folgen und nicht die Politik dem Recht"-Anarchos hat das eine gewisse Logik. Denn letztendlich geht es auch ihm um Verdunkelung.

Und da sind wir bei einer bislang zu wenig beachteten Erkenntnis aus dem Ibiza-Skandal: Am Ende des Videos sagt Strache zu Gudenus: "Joschi, mach das jetzt klar!", worauf dieser der vermeintlichen russischen Geldwäscherin versichert: "Wir sind zu 100 Prozent bereit zu helfen, egal was kommt."

Hier wurde nicht nur ein bisserl mit Glykol herumexperimentiert, hier wurde die Bereitschaft gezeigt, ganze Tankwagenladungen davon in Weinfässer zu kippen. (Florian Scheuba, 3.7.2019)