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Im ersten Halbjahr brachten alle Anlageklassen solide Erträge – im zweiten könnte sich Gold als Schutzanzug gegen Turbulenzen erweisen.

Foto: Reuters / Aly Song

Für Anleger war das erste Halbjahr 2019 ein durchaus goldenes. Nicht nur, weil sowohl Aktien als auch Anleihen gut gelaufen sind – auch das Edelmetall selbst wurde aus seinem Dornröschenschlaf wachgeküsst. Seit Ende Mai zeigt der Preistrend für eine Feinunze Gold steil hinauf, Experten sehen noch Luft nach oben. Zumal einerseits der Schwenk der großen Notenbanken zu lockerer Geldpolitik bei dem als sicherer Hafen gepriesenen Gold den Kursauftrieb nährt – und sich andererseits im Lauf des zweiten Quartals neuerlich düstere Konjunkturwolken über den Anlagehimmel geschoben haben.

"Man sieht, dass sich die Weltwirtschaft anhand der Frühindikatoren weiter abgeschwächt hat", sagt Christian Ramberger, Geschäftsführer von Fondsanbieter Allianz Invest. Mit dem Handelskonflikt zwischen den USA und China schwebe ein Damoklesschwert über der Weltkonjunktur, das bei einer Verschärfung die Industrieländer inklusive USA treffen würde. Zudem berichtet er von einem "Kollaps der Inflationserwartungen": Trotz niedriger Arbeitslosigkeit sei kein Inflationsdruck aufgekommen, ebenfalls "ein Ausdruck einer schwächer erwarteten Weltwirtschaft".

Noch mehr billiges Geld

Als Folge vollziehen die Zentralbanken den Schwenk zu expansiverer Geldpolitik. Von der US-Notenbank Fed wird allgemein noch im Juli eine Zinssenkung erwartet, zudem hat auch die EZB angekündigt, zu weiteren Maßnahmen bereit zu sein. Welche das sein könnten? Ramberger geht davon aus, dass der Strafzins für Bankeinlagen bei der EZB von minus 0,4 auf minus 0,5 Prozent erhöht wird, zudem könnten die Währungshüter ein neuerliches Wertpapierkaufprogramm installieren, dass sich diesmal nicht wie bisher auf Anleihen beschränken müsse.

"Die Weltwirtschaft steht am Scheideweg", betont Ramberger. Für ihn lautet die Kernfrage, ob einige Volkswirtschaften künftig in eine Rezession abrutschen oder ob der ohnedies schon in die Jahre geratene Konjunkturzyklus von den Notenbanken nochmals künstlich verlängert werden kann. Ramberger dazu: "Diese Antwort haben wir momentan noch nicht."

Wie sollen also Anleger in dieser Situation handeln? Anleihen fallen als Ertragsbringer angesichts der wieder extrem tiefen Zinsniveaus weg. Derzeit notiert fast ein Viertel aller ausstehenden Anleihen mit negativen Renditen. Das entspricht einem Gesamtvolumen von mehr als zwölf Billionen US-Dollar, bei denen die Gläubiger de facto dafür bezahlen, wenn sie ihr Geld verborgen.

Etwas besser sieht die Lage an den Aktienmärkten aus. Im ersten Halbjahr erzielte etwa der globale All Country World Index ein Plus von fast einem Fünftel – wobei die gute Performance im bisherigen Jahresverlauf etwas trügerisch erscheint. Ende des Vorjahrs waren bereits erste Rezessionssorgen hochgefiebert, was die Märkte stark nach unten gedrückt hatte, weshalb sie zu Jahresbeginn von sehr tiefen Niveaus gestartet waren. Da sich die Ängste vor dem Rezessionsgespenst jedoch als verfrüht erwiesen, schossen die Notierungen im ersten Quartal steil nach oben, bevor sich im Frühling bereits erste Ermüdungserscheinungen einstellten.

Einen Grund dafür sieht Martin Bruckner, Vorstand der Allianz Investmentbank, in den prognostizierten Gewinnen der Unternehmen. Diese seien im ersten Halbjahr sukzessive nach unten korrigiert worden, sodass derzeit für heuer auf globaler Basis nur noch vier Prozent Gewinnplus erwartet werden. Der Druck auf die Ertragslage wird Bruckner zufolge in den nächsten Quartalen wohl anhalten – im besten Fall komme es zu einer Stabilisierung der Unternehmensgewinne.

Aktien bleiben alternativlos

Dennoch bleiben für ihn Aktien, vor allem verglichen mit den Anleihenerträgen, als Anlage alternativlos. Allerdings gibt Bruckner zu bedenken, dass die Schwankungsfreudigkeit der Aktienmärkte zunächst hoch bleiben werde. Oder anders ausgedrückt: Von einem klaren Aufwärtstrend im zweiten Halbjahr sollte man nicht zwingend ausgehen.

Diesbezüglich dürften Anleger mit Gold die besseren Karten in den Händen haben. Derzeit notiert das Edelmetall mit etwas mehr als 1400 US-Dollar auf dem höchsten Stand seit sechs Jahren. Neben dem Iran-Konflikt sorgte auch die Aussicht auf Zinssenkungen der Fed für Auftrieb. Da Gold keine Zinsen abwirft, gilt ein Niedrigzinsumfeld als günstig für das Edelmetall. Analysten der Citigroup halten in diesem Umfeld auch Notierungen über der Marke von 1500 Dollar für gerechtfertigt.

Mit Abstand größter Ertragsbringer war aber das fulminante Comeback der Kryptowährung Bitcoin, die von manchen auch als digitales Gold angesehen wird. Seit Jahresbeginn stehen gut 150 Prozent Kursgewinn zu Buche. (Alexander Hahn, 4.7.2019)