Bäume sind die effizientesten Bremser des Klimawandels, indem sie (wie hier in einem Regenwald in Kanada) erstaunliche Mengen an CO2 aus der Luft holen.
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Seit der industriellen Revolution haben Menschen rund 300 Milliarden Tonnen (bzw. 300 Gigatonnen) Kohlenstoff in Form von Kohle, Erdöl und Erdgas aus dem Boden geholt und in die Luft geblasen. Das hat den Anteil des Treibhausgases Kohlendioxid in unserer Atmosphäre von 280 parts per million (ppm) auf den aktuellen Rekordwert von 415 ppm erhöht.

Dieser Rekordwert sinkt alljährlich im Laufe des Frühlings leicht ab, was daran liegt, dass sich auf der Nordhalbkugel die größten Waldbestände der Erde befinden: Je wärmer und grüner es wird, desto mehr Kohlenstoff können diese Wälder speichern. Insgesamt nehmen Bäume auf diese Weise rund 28 Prozent der jährlichen CO2-Emissionen auf. Und das wiederum macht sie zu den wichtigsten Bremsern des Klimawandels.

Drei Billionen Bäume

Die wahren Dimensionen dieses Beitrags der Bäume waren lange unklar. Erst vor vier Jahren konnte ein Team um Tom Crowther (damals Yale University) dank neuer Methoden zeigen, dass es rund drei Billionen Bäume auf dem Planeten gibt. Nun lassen Forscher um Crowther, mittlerweile Professor an der ETH Zürich, mit einer weiteren Berechnung aufhorchen: Durch globale Aufforstung könnten nicht weniger als 205 Gigatonnen Kohlenstoff gebunden werden.

Damit ist nun freilich nicht gemeint, dass die gesamte Erde mit Wäldern bedeckt werden müsste – auch wenn die Forscher zuerst auch das errechnet haben: Unter den aktuellen klimatischen Bedingungen könnte die Erde mit rund 4,4 Milliarden Hektar Wald bedeckt sein, wie anhand von Satellitenaufnahmen und unter Zuhilfenahme von künstlicher Intelligenz ermittelt wurde. Das wären 1,6 Milliarden mehr als die derzeit vorhandenen 2,8 Milliarden Hektar Waldfläche.

Diese Weltkarte zeigt die gesamte verfügbare Fläche von rund 4,4 Milliarden Hektar, auf der Bäume wachsen können (aktueller Waldbestand und für Wiederaufforstung geeignete Fläche).
Grafik: Crowther Lab / ETH Zürich

Ohne landwirtschaftliche Flächen

Von diesen 1,6 Milliarden Hektar nahmen die Forscher Städte und landwirtschaftliche Flächen aus. Danach blieben, wie Studienleiter Jean-François Bastin erklärt, 0,9 Milliarden Hektar zur Aufforstung übrig – ein Gebiet etwas kleiner als die USA und größer als Brasilien.

Auf dieser Grafik zu sehen ist jene Fläche von rund 900 Millionen Hektar, die für die Wiederaufforstung von Wäldern verfügbar ist (also ohne Landwirtschaftsflächen, Wüsten und Städte).
Grafik: Crowther Lab / ETH Zürich

"Wir alle wussten, dass die Aufforstung der Wälder einen Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels leisten könnte", sagt Tom Crowther, in dessen Team Bastin arbeitet. "Aber bislang war unklar, wie groß der Effekt wäre." Die neue Studie zeige ganz klar, dass die Bewaldung derzeit die beste verfügbare Lösung für das Problem des Klimawandels sei. "Allerdings müssen wir schnell handeln, denn es wird Jahrzehnte dauern, bis die Wälder wachsen und ihr Potenzial als natürliche CO2-Speicher ausschöpfen."

Tom Crowther stellt die Erkenntnisse seines Teams beim Famelab in der Schweiz vor.
FameLab Switzerland

Die neue Studie im Fachblatt "Science" zeigt auch, wo für eine Aufforstung am meisten Platz wäre: Angeführt wird diese Liste von Russland mit 151 Millionen Hektar vor den USA (103 Millionen Hektar), Kanada (78,4 Millionen Hektar), Australien (58 Millionen Hektar), Brasilien (49,7 Millionen Hektar) und China (40,2 Millionen Hektar).

Verlust tropischer Wälder

Allerdings ist Wald nicht gleich Wald, wie das Team um Crowther betont. Zwar werden die Flächen der nördlichen Wälder in Regionen wie Sibirien aufgrund des Klimawandels wahrscheinlich zunehmen, da aufgrund der globalen Erwärmung Bäume auch weiter im Norden wachsen. Aber dort beträgt die Baumdichte durchschnittlich nur 30 bis 40 Prozent. Dem gegenüber steht der Verlust von dichten tropischen Wäldern, die eine Baumbedeckung von 90 bis 100 Prozent aufweisen.

Konkretere Zahlen zur Wiederbewaldung in tropischen Regionen lieferte diese Woche eine Untersuchung im Fachblatt "Science Advances": Forscher um Pedro Brancalion (Universität von São Paulo) kommen darin zum Schluss, dass es mehr als 100 Millionen Hektar verlorener tropischer Tieflandregenwälder in Mittel- und Südamerika, Afrika und Asien gäbe, wo sich eine Wiederbewaldung ganz besonders lohnen würde. Brasilien, Indonesien, Madagaskar, Indien und Kolumbien hätten demnach die größten Gebiet, die "saniert" werden sollten. Die besten Möglichkeiten würden sich laut dieser Studie allerdings in den afrikanischen Ländern Ruanda, Uganda, Burundi, Togo, Südsudan und Madagaskar bieten.

Mikroklimatische Effekte

Wie belastbar sind die Daten insbesondere vom Team um Crowther? Und wie realistisch ist die Umsetzung? Forscher wie Karlheinz Erb (Boku Wien), die nicht an der Studie beteiligt waren, aber dazu vom deutschen Science Media Center befragt wurden, loben die Untersuchung dafür, dass sie konkrete Zahlen im globalen Maßstab nennt.

Erb etwa weist aber auch darauf hin, dass die wachsende Weltbevölkerung mehr Flächen für die Nahrungsmittelproduktion brauchen werde. Zudem scheint in vielen Ländern eine aktuelle Hoffnung auf Wiederaufforstung etwas utopisch. Was nichts am Potenzial der Wälder zur Verringerung des Klimawandels ändere. Dazu komme noch ein zusätzlicher Vorteil der Bäume, den die Wissenschafter bei ihrem Fokus auf CO2 sogar unterschlagen hätten: Die grünen Riesen können nämlich auch mikroklimatisch (nicht zuletzt in Städten) für Abkühlung sorgen. (Klaus Taschwer, 4.7.2019)