Sechs Jahre brauchte Gute Zeiten, schlechte Zeiten auf RTL, um von 2,1 Prozent Markt anteil auf 21,3 Prozent Quotenerfolg zu kommen. Acht Jahre hatte Taff auf ProSieben, um 15,6 Prozent zu schaffen. Und zwei Jahre immerhin brauchte Berlin Tag & Nacht für 16,7 Prozent Marktanteil beim Publikum unter 49 Jahren.

Mit diesen Daten privater Vorabenderfolge stimmte Channel-Managerin Elisabeth Totzauer die Stiftungsräte des ORF im Juni auf ihren Zwischenbericht zur ORF-1-Reform ein.

Im Frühjahr 2018 übernahm sie die Führung des Senders, nach ersten neuen Formaten begann sie Anfang April, vor bald drei Monaten, die Schlüsselzone Vorabend umzubauen: Nachrichten und Magazin 1 ab 18 Uhr statt Simpsons.

Die Fußballlücke

US-Kaufserien funktionieren in Streamingzeiten auch nicht mehr wirklich. 2011 hatten die Simpsons noch 20 Prozent Marktanteil auf dem Sendeplatz beim Publikum unter 49, in den ersten Monaten 2019 nur noch acht Prozent.

Zugleich muss ORF 1 ohne Bundesliga und Champions League auskommen. Das Halbfinale der Europa League Chelsea gegen Eintracht Frankfurt auf Puls 4 am 9. Mai markierte einen Quoten tiefpunkt für ORF 1: 3,8 Prozent Tagesmarktanteil beim Gesamtpublikum gegen sieben bei Puls 4.

Fußball-EM-Qualifikation, Formel 1 in Kanada im Hauptabend und Life Ball markierten umgekehrt im Juni Spitzen bei jüngeren Zielgruppen.

Im Juni und auch im Juli fehlt ORF 1 im Jahresvergleich zudem die Fußballweltmeisterschaft 2018. DER STANDARD stellt die Quoten von 8. April 2019 bis heute wegen der WM 2018 jenen im gleichen Zeitraum 2017 gegenüber.

Lisa bei der Präsentation von "Magazin 1" im März, dem ersten großen Reformschritt im Vorabend von ORF 1 weg von Serienware.
Foto: ORF/Thomas Ramstorfer

Die Quotenbilanz über fast 100 Tage

Beim Gesamtpublikum ab zwölf Jahren liegt ORF 1 mit 8,1 Prozent 1,7 Prozentpunkte unter den Werten 2017.

Beim Publikum zwischen zwölf und 49 Jahren, auf das sich Senderchefin Totzauer konzentriert, hält ORF 1 nach 13,1 nun bei 10,6 Prozent Marktanteil über die knapp drei Monate.

Bei den Zuschauerinnen und Zuschauern unter 30 liegt der Sender bei 10,7 Prozent gegenüber 13,4 vor zwei Jahren.

Magazin 1 kommt in seinen ersten drei Monaten auf neun Prozent Marktanteilsschnitt beim Publikum zwischen zwölf und 49. Die Simpsons hatten auf dem Sendeplatz 2017 wie auch 2018 im selben Zeitraum elf Prozent.

In der jungen Zielgruppe kam Matt Groenings gelbe Familie 2018 auf 15 Prozent Marktanteil. Magazin 1 seit 8. April auf acht.

Die – nicht zuletzt aus Budgetgründen – schrittweise Reform von ORF 1 mischt für erstes hausgemachte Information mit Serienware – und irritiert damit potenziell die Publika beider Genres.

Totzauer will nun möglichst rasch weitere Schritte Richtung Österreich setzen: "Im Herbst geht es Schlag auf Schlag", sagt sie auf STANDARD-Anfrage. Ein Quiz format soll im Vorabend weiteres Kaufprogramm ersetzen. Geplanter Start: Dezember. Zwei Versionen für Panelshows werden ab getestet.

Raten, Lachen, Retten

Das Team von ORF 1 entwickelt zudem ein Format zur Nationalratswahl – zuletzt hatte der Sender Wahlfahrten mit Hanno Set tele, Nationalraten und Gipfel treffen im Repertoire.

Im Herbst bekommt der gna denlose Willkommen Österreich -Reporter Peter Klien seine eigene Late-Night Gute Nacht, Österreich.

Andi Knoll sucht ebenfalls im Herbst im Hauptabend Heldinnen und Helden der Feuerwehren in Feuer und Flamme.

Bis sich das Publikum an das neue ORF 1 gewöhnt hat (und womöglich mehrt, jedenfalls aber nicht mehr flüchtet), kann es ein, zwei Jahre dauern, sagt Totzauer. "Da braucht man viel Ruhe." (fid, 4.7.2019)