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Gaviale weisen heute die größte Abweichung vom Körperbauplan des Durchschnittskrokodils auf.
Foto: REUTERS/Navesh Chitrakar

Der Gavial mit seiner überlangen dünnen Schnauze ist heute die einzige Krokodilart, die nennenswerte Abwechslung in die Verwandtschaft einbringt. Die 25 Arten, die es gegenwärtig gibt, sehen einander nicht nur ausgesprochen ähnlich, sie führen auch alle die gleiche Lebensweise als Lauerjäger im Wasser.

Das sah in der Vergangenheit der Crocodylomorpha – also der unmittelbaren Verwandtschaft der heutigen Krokodile – ganz anders aus. Da gab es hochbeinige Spezies, die ihr Leben ausschließlich an Land verbrachten und flinke Läufer waren, ebenso wie das genaue Gegenteil: nämlich Arten, die sich einer vollaquatischen Lebensweise angepasst und Beine und Schwanz zu Flossen ausgebildet hatten. Und es gab sogar Arten, die auf Bäume kletterten.

Abwechslungsreiche Menüs

Es schien aber immer noch eine große Gemeinsamkeit übrigzubleiben: Allesamt fraßen sie Fleisch. Das dachte man zumindest lange Zeit – doch nun berichtet eine Gruppe US-amerikanischer Forscher im Fachmagazin "Current Biology", dass auch das nicht stimmt. Es gab offenbar auch Allesfresser und sogar reine Pflanzenfresser in den Reihen der schuppigen Riesen. Im Verlauf des Erdmittelalters haben mehrere Entwicklungslinien von Krokodilen unabhängig voneinander eine vegetarische Laufbahn eingeschlagen.

Einige der untersuchten Krokodilarten – die beiden unteren dürften Pflanzenfresser gewesen sein.
Illustration: Jorge Gonzalez

Zu diesem Befund kommt das Team um Keegan Melstrom von der University of Utah durch die Analyse von Zähnen ausgestorbener Krokodile. 146 Zähne aus 16 verschiedenen Spezies wurden dafür analysiert. Ein zentraler Faktor war dabei die Zahnform: Die heutigen Krokodile haben spitze, kegelförmige Zähne. Bei einigen ausgestorbenen Arten hingegen wiesen die Zähne Höcker und Kerben auf – Merkmale, wie sie beispielsweise die Backenzähne von Säugetieren haben.

Auch ein weiteres Säugetiermerkmal war bei solchen Urkrokodilen ansatzweise vorhanden, nämlich Heterodontie. Das bedeutet den für uns ganz normal erscheinenden Umstand, dass sich ein Gebiss aus unterschiedlich geformten Zähnen zusammensetzt, die dadurch auch unterschiedliche Aufgaben erfüllen können: flache Schneidezähne zum Durchtrennen von Nahrung, massive Backenzähne zum Kauen, spitze Eckzähne für Kampf oder Beutefang. Bei Säugetieren ist solche Vielfalt die Regel – bei den übrigen Tiergruppen hingegen eine seltene Ausnahme.

Krokodilzähne im Vergleich: Die der Fleischfresser links sind einfach geformt, die der Pflanzenfresser rechts um einiges komplexer.
Foto: Keegan Melstrom/NHMU

Aus der Entwicklung komplexer Zahnformen schlossen die Forscher auf die Ernährungsweise der betreffenden Tiere – und kamen zum Ergebnis, dass sich in der Krokodilverwandtschaft mindestens dreimal unabhängig voneinander der Hang zum Vegetarismus herausgebildet haben muss, vielleicht sogar sechsmal. Diese pflanzenfressenden Krokodile lebten zu unterschiedlichen Zeiten und auf verschiedenen Kontinenten. Vegetarismus war für Krokodile also in einer Vielzahl von Umweltbedingungen ein Vorteil, schließt Melstrom.

Paradox

Das mündet allerdings in ein Rätsel – nämlich warum es Krokodile mit einer solchen Lebensweise heute nicht mehr gibt. Die Crocodylomorpha entstanden nicht allzu lange nach dem größten Massenaussterbeereignis der Erdgeschichte, das vor knapp 252 Millionen Jahren stattfand. Und schon in ihrer Frühphase brachten sie viele unterschiedliche Formen hervor, Pflanzenfresser inklusive.

Just seit einem weiteren Massenaussterben – nämlich dem, mit dem vor 66 Millionen Jahren das Ende der großen Dinosaurier eingeläutet wurde – ist es aber mit den unterschiedlichen Ernährungsstilen vorbei. Und Krokodile waren praktisch die einzigen großen Landtiere, die die Folgewirkungen des Asteroideneinschlags überstanden. Sie hatten also sogar einen Startvorteil. Warum sie dennoch nach der einen globalen Katastrophe ihre Vielfalt erhöhten und nach der anderen nicht, ist für Melstrom ein Rätsel. (jdo, 7. 7. 2019)

Das ist nach fast 230 Millionen Jahren Entwicklungsgeschichte von der Vielfalt der Krokodile übrig geblieben: die totale Hingabe an Fleisch.
Foto: APA/AFP/GREG WOOD