Datenschutz hat nichts mit Verbergen zu tun.

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"Meine Daten können ruhig gespeichert und gesammelt werden, ich hab' nix zu verbergen." Das hört man von vielen Personen, wenn ihnen mögliche Datenschutzprobleme aufgezeigt werden. Und auch aus der Politik kommt oft das Argument "Wer nichts verbrochen hat, muss nichts verbergen", wenn es wieder einmal darum geht, Bürger stärker zu überwachen. Doch so einfach geht diese Rechnung nicht auf. Wieso Datenschutz nichts mit Verbergen zu tun hat, zeigt der STANDARD anhand von drei Beispielen.

Facebook-Profile können zur Beeinflussung des Wählerverhaltens missbraucht werden.
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Facebook

Facebook ist das größte aller sozialen Netzwerke mit über zwei Milliarden Nutzern. Die Datenmenge, die hier anfällt, ist enorm. Nicht umsonst ist Facebook immer wieder im Zentrum politischer und gesellschaftlicher Diskussionen. Viele Informationen teilen die Nutzer selbst bereitwillig über sich. Immerhin macht es ja nichts, wenn andere wissen, wo sie geboren, zur Schule gegangen und mit wem sie befreundet sind. Glaubt man.

"Es geht meist nicht um das Verbergen, es geht um eine unvorhergesehene Verwendung von Informationen", erklärt Alan Dahi von der Datenschutz-NGO Noyb. "Teile ich Informationen mit dir, habe ich eine gewisse Vorstellung und Erwartung, was mit diesen Informationen getan wird. Die Psychologie entdeckt zunehmend, wie man Verhalten anhand von kleinen 'Anstößen' lenken kann. Diese Anstöße sind umso wirkungsvoller, je genauer man eine Person kennt. Wenn du mich gut genug kennst, reicht ein Satz hier, eine Frage dort, um mich vielleicht vom Wählen abzuhalten." Solche Manipulationsversuche seien nicht nur Gedankenspiele. Facebook-Profile sollen beispielsweise von der Firma Cambridge Analytica missbraucht worden sein, um Donald Trump zum Wahlsieg zu verhelfen. "Daher geht es nicht immer darum, etwas über sich zu verbergen. Es geht auch darum, dass unsere Informationen im Verborgenen für andere Zwecke missbraucht werden", so Dahi.

Fluggastdaten können Personen zum Verhängnis werden, die einen ähnlichen Namen wie beispielsweise gesuchte Kriminelle haben.
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Fluggastdaten

Speziell bei Datensammlungen, die der Staat über Bürger anlegt, wird oft vorgeschoben, dass unbescholtene Bürger keine Nachteile davon hätten. Für die Datenschützerin Angelika Adensamer von Epicenter Works ein "sehr falsches" Argument. Aufgrund des Fluggastdatengesetzes werden von sämtlichen Personen die Daten, die im Rahmen einer Flugbuchung anfallen, gespeichert und analysiert. "Problematische Fälle könnten zum Beispiel sein: Jemand hat den gleichen oder ähnlichen Namen wie eine Person, die auf einer No-Fly-List steht oder in einem Land gesucht/verdächtigt wird."

Aber auch Journalisten oder Mitarbeitern von NGOs könnte die Datenanalyse zum Verhängnis werden. "Man stelle sich vor, ein Mitarbeiter von Amnesty International wird verdächtigt und durchleuchtet, weil er drei Monate zuvor in Syrien, dem Irak oder Iran war oder generell sehr viele Zwischenlandungen in solchen Ländern hat. Es wird ja auch nach solchen problematischen Routenverbindungen analysiert und gesucht. Das führt nicht nur dazu, dass man im schlimmsten Fall die Polizei am Hals hat, sondern bedeutet oft auch einfach nur, dass man jedes einzelne Mal herausgefischt, durchsucht und befragt wird. Das ist eine Drangsalierung ohne jeglichen Anfangsverdacht", kritisiert Adensamer. Diese anlasslose Speicherung hatte schon dazu geführt, dass die Vorratsdatenspeicherung als verfassungswidrig wieder eingestellt werden musste. Epicenter Works will das auch für die Fluggastdatenspeicherung erreichen.

Einkaufsdaten lassen Schlussfolgerungen auf Lebensstil oder Persönlichkeitsmerkmale zu.
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Kundenkarten

Und wie sieht es mit den Daten aus, die Bonusprogramme wie Jö oder Payback sammeln? Dass diese Unternehmen speichern, was man einkauft, kann einem doch wirklich egal sein. Oder? Nicht, wenn man sich wie Forscher und Netzaktivist Wolfie Christl intensiv damit beschäftigt, wie diese Daten verarbeitet werden. "Wirklich problematisch wird es, sobald die Firmen aus unseren Einkäufen Persönlichkeitsprofile erstellen oder sie mit Daten von anderen Firmen verknüpfen. Denn aus unseren Einkäufen lassen sich viele sensible Schlussfolgerungen über unser Leben, unseren Alltag, unsere Vorlieben, Abneigungen und Schwächen ziehen", so Christl.

Etwa darüber, wer regelmäßig Alkohol oder jede Menge Verbandsmaterial kauft. Zeitpunkte und Orte der Einkäufe seien ebenfalls aussagekräftig. "Aber auch weniger offensichtliche Informationen lassen sich aus Einkäufen gewinnen. Die US-Supermarktkette Walmart hat aus der Analyse von Einkäufen das Vorliegen von Schwangerschaften prognostiziert und sogar den wahrscheinlichen Geburtszeitpunkt. Und zwar nicht auf Basis offensichtlicher Käufe wie etwa dem Erwerb eines Kinderwagens, sondern weil statistische Zusammenhänge zwischen dem Kauf bestimmter Hautcremes und Nahrungsergänzungsmittel einerseits und Schwangerschaften andererseits festgestellt wurden", führt Christl ein Beispiel an. Aber auch Persönlichkeitsmerkmale wie Herkunft, sexuelle Orientierung oder Beziehungsstatus könnten anhand der Einkäufe abgeschätzt werden.

Diese Informationen würden dann mit Daten aus der Onlinewerbung verknüpft. Die Einkaufsdaten "fließen dabei oft an tausende Datenfirmen, von denen die meisten von uns noch niemals gehört haben – und bei denen oft sehr unklar ist, was sie mit den Daten genau machen". Auch könnten die Daten dazu verwendet werden, Bürger in "wertvolle" und "wertlose" Personen zu kategorisieren. Die einen würden umworben, die anderen von Unternehmen systematisch schlecht behandelt oder ausgetrickst. "Im Endeffekt haben derartige Datenpraktiken nicht nur Auswirkungen auf Einzelne, sondern auf die Gesellschaft insgesamt", warnt der Netzaktivist. (Birgit Riegler, 14.9.2019)