Im Gastkommentar merkt der Politikwissenschafter Hubert Sickinger an, dass es für eine illegale Umgehung der Rechenschaftspflichten außerdem strafrechtliche Sanktionen geben sollte.

Welche Staaten sind Vorbild bei der Parteienfinanzierung? Diese Frage bringt Parteienforscher verlässlich in Verlegenheit, denn das Anführen von "Vorbildern" ist zweischneidig: Häufig haben nämlich vor allem junge Demokratien, die in Hinblick auf politische Korruption einen zweifelhaften Ruf haben, durchaus vorbildlichere Regelungen als Staaten mit einer viel längeren demokratischen Tradition und einem über viele Jahrzehnte, oft über mehr als ein Jahrhundert gewachsenen Parteiensystem. Denn die Parteien sind – über ihre Abgeordneten – hier Gesetzgeber in eigener Sache, und in der Praxis zwingen zumeist virulente Korruptionsfälle Parteien dazu, ihre Finanzen offenzulegen und strenge Regelungen vor allem für Parteispenden zu akzeptieren.

Auch in Österreich war die Regelung der Parteienfinanzierung durch das Parteiengesetz 2012 Ergebnis einer jahrelangen Korruptionsdebatte, die in dieser Woche beschlossene Neuregelung Ergebnis bekanntgewordener Verstöße gegen diese Regeln, verspätet bekannt gewordener Großspenden sowie exzessiv teurer Wahlkämpfe. Umgekehrt konnten ausgerechnet in den als besonders korruptionsarm geltenden skandinavischen Staaten – in denen sonst alle staatlichen Aktivitäten besonders transparent sind – die Parteien bis vor einigen Jahren eine Offenlegung ihrer Finanzierung abwehren. Wer ist da nun "Vorbild"?

Politische Beteiligung

Über zentrale Grundelemente einer wünschenswerten Regelung der Parteienfinanzierung herrscht trotzdem weitgehende Einigkeit zwischen Wissenschafterinnen und Wissenschaftern sowie dieses Thema intensiv bearbeitenden internationalen Organisationen wie dem Europarat (Greco), den OSZE-Wahlbeobachtern und den OECD-Analysten. Erstens: Das demokratiepolitische Leitbild müssen vitale, demokratisch organisierte Parteien mit guter Verankerung in der Bevölkerung sein. Deshalb wird üblicherweise für eine Mischfinanzierung aus privater und staatlicher Finanzierung plädiert: Parteien sollten sich aus Beiträgen der Mitglieder, Spenden und staatlichen Förderungen finanzieren.

Die Finanzierung durch Mitgliedsbeiträge entspricht dem Ideal demokratischer Massenparteien. Spenden werden dann positiv gesehen, wenn Mitglieder, Sympathisantinnen und Sympathisanten sie in kleinen Beträgen, aber in großer Zahl leisten – dies ist eine wünschenswerte Form politischer Beteiligung. Ab einer Spendenhöhe, mit der die Ausübung von Einfluss auf die Partei möglich erscheint oder die zumindest einseitige Interessenbindungen der Partei nahelegt, sollen Spenden verpflichtend offengelegt werden müssen.

Intransparente Finanzierung

Für Spendenverbote oder niedrige erlaubte Obergrenzen wird meist bei bestimmten Geldgebern plädiert, etwa für Finanzierungen durch ausländische Unternehmen oder Staatsbürger, für Unternehmen mit staatlicher Beteiligung, in manchen Staaten generell für Spenden von Unternehmen – in allen diesen Fällen kann ja kein legitimes staatsbürgerliches Interesse an politischer Beteiligung bestehen.

Ob es generell gesetzliche Obergrenzen für Spenden (pro Jahr und Spender) geben soll, wird hingegen kontrovers diskutiert: Einerseits kann sich niemand "Oligarchenparteien" wünschen, und das Prinzip "one (wo)man, one vote" soll nicht durch Großspenden unterlaufen werden. Andererseits führen niedrige Spendenlimits – "niedrig" können in dieser Betrachtung durchaus auch mehrere Monatseinkommen von Durchschnittsverdienern sein, in Österreich nun 7.500 Euro pro Jahr und Spender – in der Praxis häufig nur zu Umgehungsfinanzierungen, die dann erst recht intransparent und unter Korruptionsgesichtspunkten gefährlich sind: Stichwort Ibiza.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner verteidigt die Parteiengesetzreform.
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Kritik daran kommt von Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger. So werde kein Problem wie im Anlassfall "Ibiza" gelöst.
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Teure Wahlkämpfe

Demokratiepolitisch völlig sinnwidrig ist hingegen ein Limit für die Gesamteinnahmen an Spenden einer Partei, in die auch Kleinspenden eingerechnet werden müssen, wie es nun in Österreich eingeführt wurde (eine Dreiviertelmillion pro Jahr beziehungsweise für das zweite Halbjahr 2019 nur 375.000 Euro pro Partei).

Von Beiträgen der Mitglieder und Kleinspenden kann sich leider fast keine Partei finanzieren. Eine staatliche Parteienfinanzierung wird daher zumeist positiv bewertet, um Parteien eine permanente Tätigkeit zu ermöglichen und die finanziellen Ausgangsniveaus – aufgrund unterschiedlicher Mitgliederzahlen, zahlungswilliger Anhänger oder an ihrer Politik interessierter Interessengruppen – zumindest teilweise anzugleichen. Eine sehr hohe Parteienförderung – wie in Österreich vor allem auf Landesebene – führt allerdings zu sehr teuren Wahlkämpfen, weshalb es naheliegt, zugleich die zulässigen Wahlkampfausgaben zu begrenzen (in Österreich aktuell mit 7,14 Millionen pro Partei).

Zu schwache Kontrolle

Die zentrale Lehre aus mehreren Jahrzehnten an Versuchen in vielen Staaten, die Parteienfinanzierung zu regeln, lautet aber: Parteien haben unter dem Eindruck von Spendenaffären oft zwar Offenlegungspflichten ihrer Finanzierung zustimmen müssen, deren Kontrolle aber bewusst sehr schwach gehalten, Lücken und Umgehungsmöglichkeiten eingebaut (oder diese auch nur übersehen), niedrige Sanktionen vorgesehen und die Gefahr von Strafen dadurch minimiert. Regelungen allein nützen aber wenig, ihre Einhaltung muss von einer unabhängigen und ausreichend ausgestatteten Kontrollbehörde auch ernsthaft kontrolliert werden können, und für Verstöße muss es angemessene und zugleich abschreckende Sanktionen geben.

Das Parteiengesetz 2012 war in Hinblick auf seine Regelungen bereits ein vergleichsweise modernes Gesetz, die Kontrolle ist aber zu schwach. Die Parteien müssen zwar Rechenschaftsberichte vorlegen, deren Zahlen zwei Wirtschaftsprüfer als korrekt bestätigen müssen. Dies entspricht aber weder einer Bilanzprüfung, noch kann es einen direkten Einblick des Rechnungshofs, der aktuell nur eine "nachprüfende" Rolle hat, in die Bücher der Parteien ersetzen – der Rechnungshof sollte die Parteien selbst prüfen können.

Die Rechenschaftspflichten

Und vor allem kann diese Kontrolle nichts erfassen, was die Partei illegalerweise nicht in ihre Buchhaltung aufgenommen hat, falls kein direkter Geldfluss vorliegt – etwa Kostenübernahmen durch außenstehende Personen, Vereine oder Unternehmen. Deshalb müsste es gegen eine vorsätzliche illegale Umgehung der Rechenschaftspflichten auch strafrechtliche Sanktionen geben und damit auch die Justiz tätig werden können. Die Diskussion um eine Reform der Parteienfinanzierung wird also weitergehen. (Hubert Sickinger, 6.7.2019)