Foto: APA/Punz

Wien – Der Andrang auf die pinken Listen war groß: 150 Kandidaten stellten sich an diesem Samstag der Vorwahl, um für die Nationalratswahl am 29. September. Die finale Reihung erfolgte bei der Mitgliederversammlung in den Wiener Sophiensälen. Die Nummer eins war aber trotz aufwändigen Vorwahlprozess von Anfang an unumstritten. Beate Meinl-Reisinger wurde mit 96,1 Prozent gewählt.

Beate Meinl-Reisinger wurde mit großer Zustimmung zur Spitzenkandidatin gekürt: 96,1 Prozent.
Foto: APA/Punz

Doch zunächst stand einmal eine Rückschau auf eine vergangene Wahl auf dem Programm. Claudia Gamon, seit dieser Woche als EU-Parlamentarierin angelobt, wurde euphorisch begrüßt. Immerhin hat sie bei der EU-Wahl vor sechs Wochen das beste bundesweite Neos-Ergebnis erzielt. "Das haben wir gemeinsam geschafft", sagt Gamon. Diese Dynamik wünscht sie auch für den Nationalratswahlkampf. Denn: "Was ist realistischer: Die Vereinigten Staaten von Europa oder Österreich erneuern?", fragt sie. Denn sie möchte in Österreich endlich die Parteiendemokratie beenden. Sie kritisiert auch die jüngsten Beschlüsse im Parlament: "Wir machen beim Verteilen von Wahlzuckerln nicht mit bis das ganze Land zuckerkrank ist."

"Elende Freunderwirtschaft"

Großer Jubel, viel Wind mit pinken Fächern – die Klimaanlage ist in den Sophiensälen ausgefallen – für die Parteichefin. Sie hatte drei weitgehend unbekannte Gegenkandidaten. Zum Vergleich Matthias Strolz erhielt 2017 98 Prozent.

ORF

Meinl-Reisinger bedankte sich für den Zuspruch: Es sei dringend notwendig, das Vertrauen in die Politik wiederherstellen. Sie will den "inhaltlichen Führungsanspruch" im Land stellen. Nach Ibiza müsse die Politik endlich bereit sein, Macht abzugeben. "Macht gehört nicht nur kontrolliert, sondern auch beschränkt", ist die frisch gekürte Spitzenkandidatin überzeugt. Die "elende Freunderlwirtschaft" soll endlich der Vergangenheit angehören. Bei den Ibiza-Videos habe man zwei Politiker beobachten können, die offen für Korruption waren. Das sei ein Vertrauensbruch gewesen. Das Verhalten der "selbst ernannten Patrioten" Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus sei unverschämt.

Pinke Evergreens

Aber auch Umwelt- und Klimapolitik spielte in Meinl-Reisingers Rede eine Rolle: Hier brauche es Hausverstand, aber man dürfe nicht gegen die Wirtschaft sein. "Man muss nicht gegen die Wirtschaft sein, um für das Klima zu sein." Aber auch pinke Evergreens wie das enkelfitte Pensionssystem und die Senkung der Lohnnebenkosten brachte die Parteichefin. Kritik übte sie an unvernünftiger Politik, wie der Abschiebung von Asylwerbern in Ausbildung. Nichts habe sich durch die türkis-blaue Regierung verändert: "Wir leben immer noch im selben Filz."

Derzeit werde im Parlament das Geld zum Fenster herausgeworfen. Sie habe es satt, ständig auf Twitter als "unsozial denunziert" zu werden. Dabei gefährden genau diese Beschlüsse den Sozialstaat. Nur auf die Neos könne man sich verlassen, sie seien die einzigen, die auch unpopuläre Themen ansprechen. Standing-Ovations für Meinl-Reisinger.

Wild Card bis Ende Juli möglich

Hinter Meinl-Reisinger kandidiert auf Platz zwei der Salzburger Hotelier Josef Schellhorn. Fix ist die Liste nicht zwangsläufig, denn bis Ende Juli haben die Neos noch Zeit, einen Quereinsteiger mittels "Wild Card" an wählbarer Stelle zu platzieren.

Von den derzeit zehn Abgeordneten haben sich acht wieder um ein Mandat beworben, wobei die meisten entweder auf einen aussichtsreichen Platz auf der Bundesliste oder auf einer der Landeslisten gewählt wurden. Um sein Mandat zittern muss allerdings Michael Bernhard. Der Vertreter der Neos im Eurofighter-Untersuchungsausschuss landete nach der Mitgliederversammlung nur am 8. Platz der Bundesliste und am 5. der Wiener Landesliste.

Auf der Bundesliste folgen hinter Meinl-Reisinger und Schellhorn nun die Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmannsdorff, Gerald Loacker und Stephanie Krisper. Auf den Plätzen 6 und 7 folgen als mögliche Neuzugänge Henrike Brandstötter und Julia Seidl.

Fördernde Mitglieder werden überlegt

Nach dem Verbot großer Parteispenden wird von den Neos nun ein Ausbau der Mitgliedsbeiträge überlegt. Die Mitgliederversammlung der Pinken hat beschlossen, künftig auch "fördernde Mitglieder" aufzunehmen. Diese könnten einen höheren Mitgliedsbeitrag bezahlen, der – anders als Spenden – nicht unter die gesetzliche Deckelung fällt.

Ob und wann das System schlagend wird, ist noch unklar. Generalsekretär Nick Donig begründet die Änderung mit den von SPÖ, FPÖ und Jetzt beschlossenen, äußerst restriktiven Spendenverboten. "Was sie beschlossen haben, zielt nicht auf mehr Transparenz, sondern das zielt darauf ab, sich die Konkurrenz vom Hals zu halten", kritisiert Donig. (Marie-Theres Egyed, 6.7.2019)