Bild nicht mehr verfügbar.

Modell einer iranischen Zentrifuge im Jahr 2010.

Foto: AP / Vahid Salemi

Frage: Der Iran hält sich nicht mehr an den im Wiener Atomabkommen von 2015 vorgeschriebenen Urananreicherungsgrad von 3,67 Prozent. Heißt das, dass der Iran nun Uran für eine Atombombe herstellt?

Antwort: Damit rechnet eigentlich niemand, auch wenn Anti-Iran-Hardliner das behaupten. Der Iran wird den Anreicherungsgrad wahrscheinlich zuerst einmal auf fünf Prozent erhöhen, das ist bequem im Bereich von niedrig angereichertem Uran. Aber in weiterer Folge könnte der Iran auch wieder auf den Grad von 19,75 Prozent erhöhen, wie vor dem Atomdeal. Auch damit kann man keine Bombe herstellen, aber mit diesem Anreicherungsgrad verkürzen sich die Zeiten für die Produktion von waffenfähigem Uran stark.

Frage: Warum ausgerechnet auf 19,75 Prozent?

Antwort: Das ist knapp unter der Grenze zu hochangereichertem Uran. Der Iran hat auf diesen Grad angereichert, um Brennstoff für den Tehran Research Reactor (TRR) herzustellen, mit dem Isotope für den medizinischen Zweck produziert werden. Für die (bisher hypothetische) Herstellung von Brennstoff für das Kernkraftwerk in Bushehr reicht eine Anreicherung auf fünf Prozent.

Frage: Das heißt, welches Uran man braucht, ist vom Zweck des Reaktors abhängig?

Antwort: Nein, das ist allein vom Reaktortyp abhängig. Der TRR in Teheran ist ein noch von den USA in den 1960er-Jahren gelieferter Forschungsreaktor, der bis zum Ende der 1980er-Jahre sogar mit Brennstoff lief, für den auf 93 Prozent angereichertes Uran benötigt wurde. Nach der Islamischen Revolution von 1979 wollte das dem Iran niemand mehr liefern, deshalb wurde der Reaktor umgebaut. Die Schwierigkeiten, an Reaktorbrennstoff zu kommen, hat der Iran stets als Begründung für sein Urananreicherungsprogramm angeführt.

Frage: Warum macht man dann dem Iran überhaupt Schwierigkeiten?

Antwort: Da der Iran den Beginn seines Anreicherungsprogramms verheimlicht hat, lag nahe, dass er auch militärische Absichten hatte. Und es gilt als gesichert, dass der Iran früher an militärischen Aspekten eines Atomprogramms zumindest geforscht hat. Zu all dem kommen ein ehrgeiziges ballistisches Raketenprogramm und eine aggressive Hegemonialpolitik in der Region. Deshalb wollen Israel, Saudi-Arabien und seine Verbündeten sowie die USA unter Präsident Donald Trump, dass der Iran überhaupt nicht anreichert. Prinzipiell hat er aber das Recht dazu.

Frage: Der Iran reichert nicht nur auf einen höheren Grad, sondern auch quantitativ mehr an, als er laut Atomdeal darf. Wie gefährlich ist das?

Antwort: Auch da gilt: Die Obergrenze von 300 Kilogramm von auf 3,67 Prozent angereichertem Uran, die der Iran laut Wiener Atomdeal haben darf, wurde vor einer Woche überschritten. Wenn man aber bedenkt, dass der Iran vor dem Atomdeal schon einmal 10.000 Kilogramm hatte, dann ist die jetzige Überschreitung undramatisch. Der Iran betont auch, dass das alles rückgängig gemacht werden kann, wenn die Europäer seine Forderungen erfüllen und die wirtschaftlichen Verluste ausgleichen, die der Iran durch den Ausstieg und die Obstruktion der USA erleidet. Nur ist dafür eben keine Lösung in Sicht – und früher oder später werden auch die Quantitäten wieder relevant werden.

Frage: Der Iran hat auch angekündigt, den Reaktor von Arak wiederherzustellen. Was bedeutet das?

Antwort: Auch das ist nicht so einfach. Arak war ein Schwerwasserreaktor, mit dem man Plutonium – ebenfalls Material für eine Bombe – herstellen hätte können. Durch den Atomdeal wurde er völlig umkonfiguriert. Der alte Reaktorkern etwa wurde mit Zement gefüllt. Der Iran müsste ihn praktisch neu bauen.

Frage: Wie begründet der Iran, dass er den Atomdeal nicht mehr befolgt?

Antwort: Mit Paragraf 36 des Textes, der bei Konflikten Lösungsmechanismen, aber auch Ausstiegsmechanismen vorsieht, wenn ein Disput nicht gelöst wird. Mit dem Ausstieg begonnen haben eindeutig die USA. (Gudrun Harrer, 8.7.2019)