Bild nicht mehr verfügbar.

Noch sind einige Leute da: Parteitreffen der Ciudadanos.

Foto: Reuters / Javier Barbancho

Spaniens rechtsliberale Partei Ciudadanos (Cs) steckt in der Krise. Die Linie des Parteivorsitzenden Albert Rivera, sich von den spanischen Sozialisten abzugrenzen und sich – wo immer dies zu einer Mehrheit führt – in einen Rechtsblock aus konservativem Partido Popular (PP) und rechtsextremer Vox einzureihen, hat Posten als Bürgermeister, Vizebürgermeister und sogar Minister in Regionalregierungen gebracht. Doch in der Partei gärt es. Der 39-jährige Anwalt Rivera steht im Kreuzfeuer der Kritik.

"Rivera hat eine sehr klare Strategie. Sie besteht darin, die Rechte anzuführen", erklärt Toni Roldán. Der Wirtschaftswissenschafter war bis vor zwei Wochen wirtschaftspolitischer Sprecher der Parlamentsfraktion von Cs, dann legte der Sozialliberale Amt und Parteibuch nieder.

Ihm folgten vier weitere Funktionäre, darunter ein Mitbegründer der Partei. Bereits einige Tage zuvor brach der ehemalige französische Ministerpräsident Manuel Valls mit Cuidadanos, für die er in Barcelona zum Bürgermeister kandidiert hatte. Und im einst monolithischen Parteivorstand werden immer mehr kritische Stimmen laut. Riveras Pressestelle freilich spielt all das herunter. Es handle sich um einige wenige. An der Basis habe es keinerlei Austritte gegeben, heißt es dort.

Macht statt Programm

Mit dem überraschenden Aufstieg der rechtsradikalen Vox, deren Gründer – wie übrigens auch viele Mitglieder und Funktionäre bei Cs – aus dem wegen seiner unzähligen Korruptionsfälle in die Krise geratenen PP kommen, begann auf der Rechten ein regelrechter Wettlauf darum, wer rechte Programmpunkte am besten vertritt. Rivera hoffte, aus den Parlamentswahlen im April als stärkste Kraft unter den drei Rechtsparteien hervorzugehen und so, sollte die Summe reichen, Regierungschef zu werden.

Die Rechnung ging nicht auf. Im spanischen Parlament verfehlten die drei Rechtsparteien zusammen die Mehrheit. Und der angeschlagene PP ist auch nach den Parlamentswahlen – und einmal mehr nach den Regional- und Kommunalwahlen Ende Mai – stärkste Kraft auf der Rechten.

Rivera macht mit seiner Blocklogik weiter wie gehabt. Er gibt damit endgültig die bisherige Linie auf, der zufolge Ciudadanos die einzige Partei ist, die mit beiden Seiten Bündnisse eingehen kann.

"Wenn man die Rechte anführen will, muss man unweigerlich einige mentale Bezugspunkte der nichtliberalen Rechten akzeptieren", warnt Roldán. Für ihn wäre die Alternative ein Bündnis mit den Sozialisten von Pedro Sánchez gewesen. Beide Parteien zusammen hätten eine stabile Mehrheit im spanischen Parlament.

Liberale Identitätskrise

In zwei Wochen findet die erste Abstimmung im spanischen Parlament über die Wiederwahl des geschäftsführenden Ministerpräsidenten Sánchez statt. Wenn sich Cs dabei nicht enthält, sondern gegen Sánchez stimmt, ist der Sozialist neben den Stimmen der linksalternativen Unidas Podemos auch auf die von baskischen und katalanischen Parteien angewiesen. Das kritisiert Rivera, doch Abhilfe will er auch keine schaffen. Für Roldán wird damit "eine historische Möglichkeit für Stabilität" vertan.

Rivera versucht, wo immer dies geht, dass es zumindest keine Fotos seiner Leute mit denen von Vox bei kommunalen oder regionalen Verhandlungen gibt. Doch diese taktischen Spielchen nutzen wenig, wie der diesjährige "Orgullo LGTBI" – wie in Spanien die Feier zum Anlass des Christopher Street Day heißt – zeigt. Ob in Sevilla, Barcelona oder Madrid, Cs wurde von den Schwulen- und Lesbenverbänden ausgeladen, weil sie mit der homophoben Vox, die unter anderem die Streichung aller Zuschüsse für LGTBI-Verbände sowie die Abschaffung der Antidiskriminierungsgesetze fordert, zusammenarbeitet.

Überall, wo Cs-Leute dennoch auftauchen, werden sie ausgebuht. Am Samstag in Madrid verhinderte eine Sitzblockade die Teilnahme von Cs am LGTBI-Marsch, den die Gruppe schließlich unter Polizeigeleit verließ. Parteisprecherin Inés Arrimadas beschimpfte die empörten Schwulen und Lesben als "Faschisten". (Reiner Wandler aus Madrid, 8.7.2019)