Der griechische Premier Kyriakos Mitsotakis verabschiedet seinen Vorgänger, Alexis Tsipras. Der Konservative will nun den Staat auf Diät schicken.

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Die Machtübergabe ging schnell über die Bühne. Wenige Stunden nach dem fulminanten Wahlsieg der konservativen Nea Dimokratia (ND) wurde in Griechenland ND-Chef Kyriakos Mitsotakis als neuer Premier vereidigt. Der Erzbischof von Athen, Hieronymos II., leitete die Zeremonie.

Der bisher regierende linke Alexis Tsipras war nach herben Verlusten bei der EU-Wahl in vorgezogene Neuwahlen gegangen. Die ND bekam nun knapp 40 Prozent der Stimmen, wird 158 der 300 Abgeordneten stellen und kann damit allein regieren. Denn das Wahlrecht sieht vor, dass die stärkste Partei einen Bonus von 50 Mandaten erhält. Nicht nur die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und EU-Ratspräsident Donald Tusk, sondern auch der türkische Präsident Tayyip Erdoğan gratulierten Mitsotakis.

Die bisher regierende Syriza schnitt mit 31,5 Prozent überraschend gut ab. Ins Parlament einziehen werden auch die Sozialdemokraten ("Kinal", 8,1 Prozent), die Kommunisten (5,3 Prozent), die rechtsextreme neue Partei "Griechische Lösung" (3,7 Prozent) und die linkspopulistische Partei von Ex-Finanzminister Yannis Varoufakis (3,5 Prozent).

Einsparungen in Verwaltung

Mitsotakis will sofort die Ärmel hochkrempeln. "Heute beginnt die harte Arbeit. Ein schwieriger, aber schöner Kampf", sagte er. Er will die Immobiliensteuer um 30 Prozent senken, den Körperschaftsteuersatz auf 20 Prozent und den Dividendensteuersatz auf fünf Prozent drücken. Zudem sollen die Sozialversicherungsbeiträge verringert werden. Diese Maßnahmen könnten 2,6 Milliarden Euro pro Jahr kosten.

Finanzieren will Mitsotakis die Steuererleichterungen durch Einschnitte in der Verwaltung und mehr digitale Überweisungen. Doch es bleibt offen, ob er die Wahlversprechen einhalten kann. Die internationalen Geldgeber wiesen am Montag sofort darauf hin, dass Griechenland weiterhin an den vereinbarten Budgetzielen festhalten muss. Der Primärüberschuss von 3,5 Prozent sei "Teil des Pakets", erklärte ein hochrangiger Eurogruppenbeamter am Montag in Brüssel. Bis 2022 muss jedes Jahr dieser Primärüberschuss in der Kasse bleiben.

Mitsotakis will durch Signale den Bonitätsstatus des Landes erhöhen, damit die Kreditzinsen fallen. Das Wahlergebnis schürte offenbar Hoffnung auf Reformen und ein rasches Wachstum. Die Märkte reagierten auf den Wahlsieg des Bankers. Der Athener Leitindex stieg auf ein Viereinhalbjahreshoch. Auch die Rendite für die Staatsanleihen fielen.

Offen ist aber, ob die neue Regierung ihre Ankündigung realisieren kann, das Wachstum auf vier Prozent zu erhöhen – derzeit liegt es bei 1,3 Prozent – und in den kommenden zehn Jahren 100 Milliarden Euro an Investitionen anzuziehen.

Unter Beobachtung

Seit 2010 hat das südosteuropäische Land mit elf Millionen Einwohnern 260 Milliarden Euro an Hilfsgeldern erhalten. Nun soll Griechenland wieder für den Kapitalmarkt fit werden und sich selbst Geld leihen. Im Vorjahr endete das dritte Hilfsprogramm. Doch noch wird die Volkswirtschaft von der Europäischen Zentralbank, der EU-Kommission und dem Internationalen Währungsfonds unter die Lupe genommen.

Das wirtschaftliche Hauptproblem bleibt, dass Griechenland wegen der enormen Staatsschulden – 180 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) – Investoren abschreckt. Laut den Maastricht-Kriterien sollten die Staatsschulden nicht über 60 Prozent des BIPs liegen. "Wir zahlen jetzt gerade einmal die Schulden der 1980er-Jahre ab", sagt die 18-jährige Maria L., die in Athen lebt.

"Akropolis rettet uns nicht"

Die junge Frau, die französische Philologie studiert, erzählt, dass viele Griechen noch immer keine Ahnung von den Ursachen der Krise hätten. Sie habe auch im Gymnasium nichts davon gehört, wie die enormen Schulden entstanden seien. "Wir haben alles über Aristoteles und Sokrates gelernt, aber niemand hat uns erklärt, wie dieses enorme Minus zustande kam", sagt sie. "Auch die Akropolis wird uns davor nicht retten!", fügt sie keck hinzu.

Und Mitsotakis? Maria schiebt ihre runde John-Lennon-Sonnenbrille auf ihre Nasenspitze, während sie darüber nachdenkt, weshalb viele Griechen auf die großen alten Familien setzen würden: die Papandreous, die Mitsotakis und die Karamanlis. "Das ist so, wie die Briten an die Royals glauben", meint sie. "Die Leute denken, dass sie selbst ein wenig zu den Eliten gehören würden, wenn sie sie wählen." Sie selbst würde sich wünschen, dass ihre Landsleute rationaler agierten, sagt sie.

"Vor vier Jahren haben viele aus Rachegelüsten Syriza gewählt, und jetzt wählten sie Mitsotakis, um Tsipras zu bestrafen. Aber wir sind hier nicht beim Fußball, wo es um Revanche geht. Es geht um ernsthafte Politik und um Menschenleben." (Adelheid Wölfl, 8.7.2019)