Wien – Beschlossen wurde das Gesetz für die neue staatliche Asylagentur am 16. Mai 2019 – nur einen Tag bevor das Ibiza-Video die österreichische Innenpolitik durchschüttelte. Die massive Kritik von Experten, aus der Zivilgesellschaft sowie aus der damaligen Opposition an der Grundversorgungsbetreuung für Asylwerber allein durch den Staat und – vor allem – an staatlicher Rechtsberatung wurde nicht berücksichtigt.

Kurz darauf war die Regierungskoalition, die dieses Leitprojekt türkis-blauer Asylpolitik auf den Weg gebracht hatte, Geschichte. Die Agentur hingegen ist ein Fakt. Sie entstand mit Inkrafttreten des Gesetzes am 19. Juni. Sein sperriger Name: "Bundesgesetz über die Errichtung der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen" (BBU).

Jabloner muss umsetzen

Erste Umsetzungsschritte muss nun die amtierende Regierung setzen – im Fall des derzeitigen Justizministers und Vizekanzlers Clemens Jabloner wohl gegen dessen noch im Mai dokumentierte Überzeugung.

Asylwerber vor dem Eingang des Erstaufnahmezentrums Traiskirchen: Künftig obliegt dem Staat sowohl ihre Betreuung als auch ihre Beratung.
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Da unterzeichnete der ehemalige Präsident des Verwaltungsgerichtshofs einen offenen Brief, mit dem kritische Bürger und Prominente gegen eine staatlich organisierte und kontrollierte Flüchtlingsrechtsberatung protestierten. Derlei komme einer "Aushöhlung fundamentaler Menschenrechte" gleich.

Rechtsberatung à la Kickl

Konkret obliegt es jetzt etwa dem Justizministerium, die Verträge mit dem Verein Menschenrechte Österreich (VMÖ) und der aus Diakonie und Volkshilfe gebildeten Arge Rechtsberatung zu kündigen. Diese beraten Asylwerber derzeit in der Berufung vor dem Bundesverwaltungsgericht, wobei Ex-Innenminister Herbert Kickl und andere FPÖ-Politiker vor allem die Tätigkeit der Arge ablehnte, die die Anerkennungschancen der Asylwerber im Auge hat.

Die Vertragsauflösungen würden vorbereitet, sodass sie zu Jahresende mit zwölfmonatiger Kündigungsfrist in Kraft treten könnten, hieß es auf STANDARD-Anfrage im Justizministerium.

BBU-Projektgruppe im Innenministerium

Auch im Innenministerium, wo mit Anfang 2020 sämtliches Vermögen des bisherigen Referats Asyl-"Versorgungsleistungen" – Gebäude, Fuhrpark, Rechtsverhältnisse, Forderungen und Verbindlichkeiten – in das Eigentum der Agentur BBU übergeht, ist man am Werken.

Eine "eigens für die BBU eingerichtete Projektgruppe" beschäftige sich mit der "Umsetzung der vom Gesetzgeber beschlossenen Vorgaben", reagierte die dortige Pressestelle auf eine Vielzahl von STANDARD-Fragen. Die meisten davon blieben unbeantwortet – insbesondere jene, die sich mit der Errichtung, Geschäftsführung und dem Aufsichtsrat der BBU beschäftigten.

Viele Posten zu besetzen

Tatsächlich hält sich das BBU-Errichtungsgesetz, etwa was die Zahl künftiger Geschäftsführer angeht, bedeckt. Es werde "einen oder mehrere" derartige Posten geben, heißt es in Paragraf 9. Der Empfehlung des Rechnungshofs (RH) im Begutachtungsverfahren, hier zumindest "eine Obergrenze" festzulegen, folgte man im Ex-Kickl-Ressort nicht.

Ebenso verfuhr man mit der RH-Empfehlung, die Bestellung einer "interimsmäßigen Geschäftsführung" zu überdenken. Diese obliegt "dem Innenminister" – und zwar gleich "für 24 Monate" sowie ohne das Stellenbesetzungsgesetz anzuwenden.

Großzügigkeit à la Kickl

Auch im Agenturaufsichtsrat wird das Innenministerium das Wort führen: Sechs von zwölf Mitgliedern sollen aus dem Haus selbst kommen, vier aus der BBU-Interessenvertretung.

"Das passt gut zu der großzügigen Postenvergabe in Kickls Ex-Kabinett", so SPÖ-Nationalratsabgeordneter Reinhold Einwallner, der sich bereits beim Beschluss des BBU-Gesetzes kritisch über deren Organisationsvorgaben geäußert hatte: "Die Kontrolle der Agentur wird das künftig sehr erschweren." (Irene Brickner, 9.7.2019)