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In London hat das große Ausräumen bei der Deutschen Bank schon am Montag begonnen.

Foto: Reuters/Simon Dawson

Keine langen Ankündigungen und Vorlaufzeiten: Es geht diesmal wirklich fix. Nur wenige Stunden nachdem der Chef der Deutschen Bank, Christian Sewing, den radikalen Umbau seines Instituts – inklusive Abbau von 18.000 Jobs – angekündigt hatte, begann in Asien schon die Kündigungswelle.

In Hongkong und Singapur wurden ganze Teams vor die Tür gesetzt. "Die halbe Etage ist weg, und die anderen warten nur darauf, dass sie einbestellt werden", sagte ein Aktienhändler in Hongkong zur Nachrichtenagentur Reuters. Er sei zusammen mit anderen gekündigten Kollegen direkt aus dem Gebäude geführt worden. Auch in London und den USA wurden viele Beschäftigte nach Hause geschickt.

Investmentbanking ade

Ihre Jobs fallen einer beispiellosen Neuaufstellung der Bank zum Opfer, die aus der Deutschen Bank wieder eine deutsche Bank machen soll. Weg mit dem globalen Investmentbanking, das so viel Misserfolg gebracht hat, dafür Konzentration auf die ganz normalen Privat- und Geschäftskunden vor allem in Deutschland – so lautet die Strategie von Sewing.

Es ist der Abschied von einer Ära, die vor 30 Jahren hoffnungsvoll begonnen hatte. Unter der Ägide des später von der RAF ermordeten Chefs Alfred Herrhausen übernahm das größte deutsche Geldhaus die britische Bank Morgan Grenfell und stieg groß ins Investmentbanking ein. "Was wir bewundern und nicht besitzen, ist die angelsächsische Kultur im Geldgeschäft", sagte Herrhausen einmal über den Deal.

Und es lief ja auch eine Zeitlang gut. Der Schweizer Josef Ackermann, der von 2006 bis 2012 der Bank zu ihren höchsten Gewinnen verhalf, wollte das Institut auf Augenhöhe mit den großen Banken der Welt sehen. Doch man konnte sich dort nicht dauerhaft etablieren.

Hiobsbotschaften

Im Gegenteil: Nach der Finanzkrise klafften Anspruch und Wirklichkeit immer weiter auseinander. Unter dem Logo der Deutschen Bank – "Schrägstrich im Quadrat", das für ein "kontinuierliches Wachstum und eine dynamische Entwicklung" stehen soll – wurden immer öfter Hiobsbotschaften verkündet.

Die Nachfolger Ackermanns suchten das Heil der Bank auch noch im Investmentbanking – keiner von ihnen wagte dort harte Einschnitte. Die Reißleine zieht jetzt der 49-jährige Sewing, der noch eine Ausbildung zum Bankkaufmann gemacht hat. "Dieser Plan ist deutlich besser, als es eine Commerzbank-Fusion gewesen wäre. Wir sind deutlich wettbewerbsfähiger", sagt er.

Seit 15 Monaten steht er an der Spitze des größten deutschen Bankhauses. Sein Ziel formuliert er so: "2022 wird die Deutsche Bank eine wachsende, effiziente und profitable Bank mit einem Vorsteuergewinn von mindestens sechs Milliarden Euro sein."

Kostenschraube

Dafür will er die Kosten um sechs Milliarden auf 17 Milliarden drücken. "Das ist für mich nicht verhandelbar," sagt er. Doch bis dahin ist noch ein weiter Weg, wenn es denn überhaupt klappt. Die Analysten der Ratingagentur Moody's erwarten für 2019 einen Verlust von zwei Milliarden Euro.

Den 10. März 2020 dürfte sich Sewing schon mal rot im Kalender angestrichen haben. Da feiert die Bank ihren 150. Geburtstag. Der Vorstand hofft zu diesem Anlass zumindest auf die Aussicht auf bessere Zahlen.


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Die Deutsche Bank in Frankfurt: eine Art Wahrzeichen.
Foto: Reuters/Ralph Orlowski

Der Weg zum Umbau in fünf Schritten


Schritt 1

Das lange Warten auf bescheidenen Gewinn

Erst im Jahr 2018 ist die Deutsche Bank nach drei Verlustjahren in die schwarzen Zahlen zurückgekehrt. Doch allzu groß war der Grund zur Freude nicht: Der Gewinn betrug nur magere 267 Millionen Euro. Das ist ein Klacks, gemessen an den Zahlen der Geldhäuser, mit denen sich das größte deutsche Institut in besseren Zeiten selbst verglichen hat. Die US-Großbank JPMorgan Chase verdiente im vergangenen Jahr 31 Milliarden Dollar, die schweizerische UBS fast fünf Milliarden Dollar.


Schritt 2

Die vielen Rechtsstreits kosteten Kraft und Geld

Lange Zeit unkte man über die Bank: Dort arbeiten mehr Juristen als Banker. Der deutsche Primus musste sich jahrelang wegen komplizierter Rechtsstreitigkeiten vor Gericht verantworten. Es ging um Zinsmanipulationen, dubiosen Handel mit Emissionszertifikaten, Schadenersatzzahlungen an die Erben des Filmhändlers Leo Kirch und sogenannte Cum-Ex-Geschäfte und wertlose Immobilienpapiere am US-Immobilienmarkt. Zudem war die Bank in den Skandal um russische Geldwäsche verwickelt.


Ende November des Vorjahres nahmen sich die Ermittler die Zentrale der Bank vor.
Foto: imago/Jan Huebner

Schritt drei

Peinliche Bilder von der Razzia in der Zentrale

Es ist vor allem der aktuelle Chef, Christian Sewing, der Bescheidenheit und Ehrlichkeit predigt. Dazu passte das Polizeiaufgebot vom November 2018 in der Frankfurter Zentrale nicht. Die Razzia erfolgte wegen des Verdachts der Geldwäsche. Im Mai 2019 durchsuchten die Fahnder erneut Privat- und Geschäftsräume. Ermittelt wird gegen acht vermögende Privatpersonen. Mindestens vier von ihnen sollen mithilfe der Deutschen Bank Geld vor dem deutschen Fiskus auf den britischen Jungferninseln versteckt haben.


Schritt vier

Die Fusion mit der Commerzbank ist gescheitert

Nichts wurde es aus der Fusion zwischen Deutscher Bank und Commerzbank. Diese hatten die Chefs erwogen, um ihre Häuser stärker und größer zu machen. Als Begründung wurde angeführt, dass ein Zusammenschluss "keinen ausreichenden Mehrwert bieten würde". Dies gelte "auch mit Blick auf die Umsetzungsrisiken, Restrukturierungskosten und Kapitalanforderungen, die mit einer solch großen Integration einhergehen." Düpiert war Finanzminister Olaf Scholz, er hatte ein Zusammengehen befürwortet.


Der Österreicher Paul Achleitner ist als Vorsitzender des Kontrollgremiums der Bank umstritten.
Foto: APA/AFP/Daniel Roland

Schritt fünf

Den Aufseher aus Österreich sehen viele als Problem

Der Mann, der eigentlich ein kritisches Auge auf die Geschäfte der Deutschen Bank haben sollte, gilt mittlerweile vielen als Teil des Problems: Aufsichtsratsvorsitzender Paul Achleitner aus Oberösterreich. Er hat seit Amtsantritt 2012 genau 15 Spitzenleute "verschlissen". Weder das Führungsduo Anshu Jain und Jürgen Fitschen war in der Lage das Ruder herumzureißen, noch deren Nachfolger, der Brite John Cryan. Die radikalen Einschnitte des aktuellen Chefs Christian Sewing kommen vielleicht zu spät. (Birgit Baumann aus Berlin, 8.7.2019)