Überlebende an Bord des Rettungsschiffs Alan Kurdi.

Foto: afp/darrin zammit lupi

Brüssel/Berlin – Der Migrationsexperte Gerald Knaus, der das EU-Türkei-Abkommen von 2016 mitentwickelt hat, hat scharfe Kritik an der Flüchtlingspolitik des italienischen Innenministers Matteo Salvini geübt. Es sei eines der am tiefsten verwurzelten Vorurteile, dass Italien angesichts eines Flüchtlingsansturms von den anderen EU-Staaten allein gelassen werde, sagte Knaus Montagabend in der "ZiB 2" des ORF.

ORF

Politik gegen Menschen

In Italien hätten in den letzten fünf Jahren 92.000 Menschen Asyl oder subsidiären Schutz bekommen, im selben Zeitraum seien es in Schweden 220.000 und in Deutschland 900.000 gewesen. Viele Migranten seien in Italien an Land gebracht worden, hätten dort aber oft keinen Asylantrag gestellt und seien in andere Länder weitergereist, so Knaus. Salvini mache auf Kosten dieser Menschen Politik. Mit seiner aggressiver Rhetorik gegen Deutschland sichere er sich die Zustimmung der Lega-Anhänger.

Die von deutschen NGOs geretteten Menschen, bei denen es sich lediglich um einige Hundert im Monat handle, sollten nach Deutschland gebracht werden, sagt Knaus. Damit würde man Salvini seinen falschen Mythos wegnehmen.

EU-Kommission drängt Mitgliedsstaaten

Die EU-Kommission fordert die Mitgliedsstaaten auf, sich auf vorläufige Regeln zur Verteilung von Flüchtlingen zu einigen. "Die Herausforderungen der Migration können nicht nur in der Verantwortung von Italien und Malta liegen, nur weil sich diese Staaten am Mittelmeer befinden", sagte Innenkommissar Dimitris Avramopoulos der Zeitung "Welt" vom Dienstag.

Bis die neuen Regeln zur Verteilung von Flüchtlingen umgesetzt würden, fordere er daher alle EU-Mitgliedsländer auf, "ihre Arbeit zu beschleunigen und vorläufige Vereinbarungen zu finden, wie mit den Menschen umzugehen ist, wenn sie die Rettungsschiffe verlassen haben". Dabei müssten Situationen wie im Fall der Sea-Watch 3 und der Alan Kurdi, aber auch ähnliche Vorfälle, in denen die Kommission Einzelfalllösungen zwischen den Mitgliedsstaaten koordiniert habe, verhindert werden.

"Nächste Woche werden wir das erste EU-Innenministertreffen unter finnischer Ratspräsidentschaft abhalten – ich hoffe, dass wir dort vorankommen können", sagte Avramopoulos. Zugleich müsse die EU aber auch mit Drittstaaten zusammenarbeiten, um zu verhindern, dass Menschen bei der Flucht ihr Leben riskieren. Dabei sollten jene, die Schutz durch eine Umsiedlung benötigen, auf legalem Weg nach Europa kommen. (APA, 9.7.2019)