Laut der Erhebung haben Pflückerinnen während der Arbeit keinen Zugang zu richtigen Toiletten.

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Berlin/Neu-Delhi – Von dem Preis, den Konsumenten in der EU für Tee aus der ostindischen Region Darjeeling bezahlen, erhalten die Teepflückerinnen gerade einmal 1,4 bis 2,8 Prozent. Laut einer am Dienstag veröffentlichten Studie der deutschen Rosa-Luxemburg-Stiftung sorgt der Preisdruck auf die Plantagen in Darjeeling für prekäre Arbeits- und Lebensbedingungen.

Mitverantwortlich dafür seien bekannte deutsche Markenkonzerne, die Hauptabnehmer des Tees aus der Region am Fuße des Himalaja-Gebirges sind. Studienautor Benjamin Luig sprach in dem Distrikt auf vier Plantagen mit Arbeiterinnen und führte auch Interviews mit Vertretern von Teefirmen. Dabei stellte er fest, dass die Pflückerinnen während der Arbeit keinen Zugang zu richtigen Toiletten haben und die bereitgestellten Unterkünfte für die Familien teils in mangelhaftem Zustand waren.

Mangelhafte Gesundheitsversorgung

Zudem müssen die Angestellten einen erheblichen Teil der Kosten für ihre Arbeitsutensilien und Arbeitsbekleidung selbst tragen. Gesundheitsversorgung und die Betreuung von Kleinkindern seien mangelhaft und eine Absicherung gegen Arbeitslosigkeit oder Behinderung gebe es oft nicht. Zudem würden die Plantagenbesitzer immer wieder Löhne zurückhalten, heißt es in der Studie. Viele Pflückerinnen seien auf subventionierte Nahrungsmittel der indischen Regierung angewiesen.

Deutsche Teefirmen kaufen den Recherchen zufolge rund ein Viertel der jährlichen Teeproduktion aus Darjeeling auf. Diese verkauften sie in Deutschland teuer weiter. Laut der Studie kommt vom Endpreis gerade einmal ein Fünftel in Indien an, wobei ein Großteil davon wiederum bei den Großhändlern und Plantagenbesitzern bleibt.

2,25 Euro pro Tag

Die Pflückerinnen selbst erhalten demnach derzeit umgerechnet 2,25 Euro pro Tag. Einer indischen Regierungskommission zufolge wäre das Doppelte nötig, um ein Leben in Würde zu ermöglichen. "Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass in der Praxis nicht einmal diese Hungerlöhne komplett ausgezahlt werden, wenn vorgeschriebene Erntemengen von Pflückerinnen nicht erreicht werden", erklärte Luig. "Während die Pflückerinnen in Darjeeling von Mangelernährung berichten, erzielen ihre Tees im deutschen Fachhandel absurde Preise von bis zu 30 Euro für 100 Gramm."

Auch nach den freiwilligen Nachhaltigkeitsstandards Rainforest Alliance und Fairtrade zertifizierte Plantagen verstoßen den Recherchen zufolge gegen gesetzliche Vorgaben und die Standards dieser Siegel. Kritik übt die Studie auch daran, dass Fairtrade wegen der schlechten Zustände in der Region Ausnahmeregelungen für Darjeeling eingeführt hat.

Freiwillige Selbstverpflichtungen reichen der den Linken nahestehenden Rosa-Luxemburg-Stiftung zufolge nicht aus, um die Einhaltung von Menschenrechten durch Unternehmen sicherzustellen. Stattdessen fordert sie ein Lieferkettengesetz, das deutsche Importeure für die Zustände in den Lieferfirmen haftbar macht.

Zudem müsse die Regierung kontrollieren, dass bei den Teeprodukten, auf denen "Darjeeling" draufstehe, auch zu 100 Prozent Tee aus der Region Darjeeling enthalten sei. Oftmals wird den Recherchen zufolge nämlich Tee aus anderen Landesteilen beigemischt.

Fairtrade überarbeitet Tee-Standards

Fairtrade Österreich zufolge zählt der Teeanbau in Assam und Darjeeling zu den schwierigsten Bereichen des fairen Handels. "Wir unterstützen ausdrücklich die Forderung nach einem Lieferkettengesetz, um alle Teehändler, ob sie mit Fairtrade kooperieren oder nicht, zur Einhaltung menschenrechtlicher Sorgfalt in ihren Zulieferketten zu verpflichten."

Der Teesektor in Indien sei staatlich reglementiert, dazu gehöre auch die staatlich festgelegte Lohnhöhe. Ohnehin niedrige Mindestlöhne würden oft unterschritten. Anders als bei nicht-zertifizierten Plantagen werde bei Fairtrade deren Zahlung aber kontrolliert. Dennoch sei klar, dass das nicht genüge. Fairtrade habe daher 2018 mit einer Überarbeitung des Teestandards begonnen. Sie soll 2020 abgeschlossen sein.

Durchschnittlich verkauften Teeproduzenten weltweit weniger als fünf Prozent ihrer Ernte unter Fairtrade-Bedingungen. Höhere Absätze unter fairen Bedingungen seien unabdingbar. Sonst bleibe der Einfluss, den der faire Handel erreichen könne, sehr gering. Fairtrade sei jedenfalls in engem Austausch mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung, um die in der Studie erwähnten Verstöße vor Ort zu verfolgen. (APA, AFP, red 9.7.2019)