Ihre erste Publikation brachte Donna Strickland den Nobelpreis ein.
Foto: Lindau Nobel Laureate Meeting / Julia Nimke

Den 39 Nobelpreisträgern, die vergangene Woche in Lindau am Bodensee über ihre Arbeit diskutierten, war die Aufmerksamkeit des vorwiegend jungen Publikums auf Schritt und Tritt gewiss: Rund 600 Nachwuchswissenschafter nahmen an der Tagung teil und hatten die Gelegenheit, mit ihren Idolen ins Gespräch zu kommen. Doch vor allem eine Laureatin sorgte für anhaltende Begeisterung – ob bei ihren Vorträgen, auf der abendlichen Tanzfläche oder während der Kaffeepausen, in denen sie für unzählige Selfies herhalten musste: Donna Strickland war der Star der Lindauer Nobelpreisträgertagung 2019.

Nach Marie Curie (Physiknobelpreis 1903) und Marie Goeppert-Mayer (1963) ist Strickland erst die dritte Frau überhaupt, die mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet wurde. 2018 erhielt sie die höchste wissenschaftliche Ehrung gemeinsam mit Gérard Mourou und Arthur Ashkin für ihre bahnbrechenden Beiträge zur Laserphysik. Die Kanadierin Strickland hatte 1985 gemeinsam mit ihrem damaligen Dissertationsbetreuer Mourou eine Methode zur Erzeugung hochintensiver, ultrakurzer Laserpulse entwickelt, die später unter anderem die Augenchirurgie revolutionierte.

Dass Strickland dieser Durchbruch noch in Studententagen gelang – die damals 26-Jährige schloss ihr Studium erst vier Jahre später an der University of Rochester ab – und diese Arbeit ihre erste wissenschaftliche Publikation überhaupt war, machte unter den Jungforschern in Lindau großen Eindruck. Ihre inspirierende und humorvolle Vortragsart sowieso.

Für Wikipedia nicht wichtig genug

Wie sie selbst sagt, führte sie vor dem Nobelpreis "ein sehr ruhiges Leben". Unter Laserphysikern war die Methode, die sie mitentwickelt hat, zwar hochgeschätzt. Breite Anerkennung blieb aber jahrzehntelang aus. Wikipedia hatte ihr sogar einen eigenen Eintrag verwehrt. Noch im Mai 2018 lehnte ein Moderator einen solchen mit der Begründung ab, die "genannten Referenzen zeigen nicht, dass sie sich für einen Eintrag qualifiziert". Fünf Monate später sah die Sache freilich anders aus. Auch die University of Waterloo, an der Strickland seit vielen Jahren tätig ist, bot ihr erst eine volle Professur an, als sie bereits Nobellaureatin war.

Folglich darf es kaum verwundern, dass Strickland die Frage, was sich in ihrem Leben seit dem Nobelpreis verändert hat, kurz und knapp beantwortet: "Alles!" In den vergangenen Monaten habe sie immer wieder von Schülerinnen und Studentinnen gehört: "Ich bin eine Inspiration, weil ich es als Frau geschafft habe." Nachwuchsforscherinnen seien vor allem an Karriereratschlägen interessiert und daran, wie sie ihre Familie mit ihrer Karriere vereinbaren konnte. Doch auf beides kann die 60-Jährige, wie sie in Lindau mit ein wenig Bedauern feststellte, kaum Auskunft geben: "Ich hoffe, dass Männer ihre Karriere ebenfalls mit ihrer Familie vereinbaren können." Und was ihren beruflichen Weg angeht, habe sie sich immer irgendwie durchgeschlagen, "ich kann also nicht wirklich einen Karriereratschlag geben".

Strickland gewann den Nobelpreis gemeinsam mit ihrem einstigen Betreuer Gérard Mourou.
Foto: AFP

Obwohl sie selbst nie eine weibliche Professorin hatte, "dachte ich nicht, dass ich es nicht schaffen könnte". Eine wichtige Rolle spielten dabei ihre Professoren und Kollegen, von denen sie sich immer sehr unterstützt fühlte. Ihr ehemaliger Dissertationsbetreuer und nunmehriger Co-Nobelpreisträger Gérard Mourou betonte, dass er sich beim Anruf aus Stockholm besonders darüber gefreut habe, zu erfahren, den Nobelpreis "gemeinsam mit Donna" zu bekommen. "Die Tatsache, dass sie erst die dritte Nobelpreisträgerin ist, ist wirklich sehr wichtig. In dieser Hinsicht ist sie meine wichtigste wissenschaftliche Leistung", sagte Mourou in einem gemeinsamen Gespräch über Strickland.

"Achtsam mit Einfluss umgehen"

Was sich für beide durch den Nobelpreis besonders geändert hat, ist, dass ihre Äußerungen in der Öffentlichkeit nun schwerer wiegen. "Man hat viel mehr Einfluss durch den Preis, und natürlich will man damit achtsam umgehen", sagte Strickland. Die Aufmerksamkeit, die sie durch den Nobelpreis genießt, will sie nutzen, um das Ansehen von Wissenschaft in der Öffentlichkeit wieder zu heben. Auch ist es ihr wichtig, das Grundverständnis für Wissenschaft in der Bevölkerung zu stärken. "Ich denke, dass es wichtig ist, dass jeder ein gewisses Maß an wissenschaftlichem Verständnis hat, damit wir wohldurchdachte politische Entscheidungen treffen können."

Angesichts dessen, dass ihn beispielsweise der Papst zum Gespräch empfangen habe und er um seine Einschätzung zum Wiederaufbau der Notre-Dame gebeten worden sei, sagte auch Mourou: "Der Nobelpreis gibt einem ganz neue Ziele im Leben. Man hat plötzlich das Gefühl, etwas bewegen zu können, und wenn man etwas sagt, hören einem die Menschen zu. Wenn man große Träume hat, ist es eine Gelegenheit, diese zu erfüllen." Zu Mourous Träumen, denen er sich nun verstärkt widmet, gehört etwa, mittels Teilchenphysik neue Formen der Energiegewinnung zu entdecken. "Für mich ist das sehr wichtig, denn wir wissen, dass wir in einer Welt leben, um die wir uns sorgen müssen. Ich will versuchen, die großen Probleme zu lösen, vor denen die Gesellschaft momentan steht", sagte Mourou.

Strickland gab sich bodenständiger: "Gérard mag es, große Träume zu verfolgen, ich bevorzuge es, mit Dingen herumzuspielen, wo ich noch selbst Hand anlegen kann." Ihr bescheidener Wunsch nach dem Nobelpreis ist, einen theoretischen Physiker oder eine theoretische Physikerin zu finden, der oder die sei dabei unterstützt, fundamentalen Problemen ihrer experimentellen Arbeit auf den Grund zu gehen. (Tanja Traxler aus Lindau, 10.7.2019)