Hans Peter Geerdes alias H. P. Baxxter (55) fungiert seit einem Vierteljahrhundert als Partydikator des Techno aus der Großraumdisco: "I want so see you sweat! Yeah!"

Foto: APA / HERBERT P. OCZERET

Eine zentrale Forderung jeder jugendlichen Revolte lautet: "Move! Your! Ass!" Sitzenbleiben ist ja nicht nur keine schulische Option. Mit dem Schlachtruf "Hände falten, Gosch'n halten" wird es generell schwierig werden, den Palästen den Krieg zu erklären. Bewegung ist also angesagt. Sie ist nicht nur gut für den Körper, auch Geist und Seele freuen sich immer ganz narrisch, wenn sie einmal aus den eigenen vier Wänden rauskommen.

Der Fall der Mauer und parallel dazu der Aufstieg des Techno als Sound der sperrstundenlosen und chemisch befeuerten Freiheit hängen deshalb ursächlich zusammen. Der Siegeszug einer Jugendkultur findet aber natürlich nicht in Tresorräumen aufgelöster Ostberliner Banken oder in Turbinenhallen von Kraftwerken in Friedrichshain statt. Richtig in die Breite konnte das damals nur über den Massenmarkt, den Hype um die Loveparade und die Aufbereitung in Großraumdiscos zwischen Buxtehude und VillingenSchwenningen gehen.

Er will die Hände sehen!

1994 kam der Norddeutsche H. P. Baxxter mit Scooter und "Hyper Hyper" zwar etwas verspätet, aber gerade recht. Während damals der Niedergang des Eurodance ("Pump Up The Jam" von Technotronic, 1989!) mit seinen Sargnägeln DJ Bobo und Dr. Alban längst besiegelt war, ging Baxxter mit unmissverständlichen Forderungen in die Vollen.

Zum einen hörte man da ein selbstbestimmtes Individuum zur Masse brüllen. Der Track war künstlich mit den Geräuschen eines Stadionpublikums unterlegt: "I want to see you sweat, I said, I want to see you sweat! Yeah!" An anderer Stelle heißt es: "It's so beautiful to see your hands in the air! Put your hands in the air! Come on!"

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Zum anderen wird hier auf dem Mauern zum Einsturz bringenden, die Völker verbindenden, also durch und durch weltgeistigen Dancefloor ein Gemeinschaftsgefühl nicht nur evoziert, sondern auch bekräftigt, das weit über die engen Grenzen hinausgeht und auf eine transzendentale Ebene gehoben wird: "Excuse me! Where is the bass drum?! We need the bass drum! Come on!" Freiheit und Bässe auch für die amerikanischen Hinterteile: "This is Scooter! We want to sing a big shout to US and to all ravers in the world!"

Das ist Hardcore!

Das ist doch Wahnsinn?! Nein, das ist Hardcore!!! Schließlich löst H. P. Baxxter zu rattenscharfen Synthiefräsen und Katastrophenalarmsirenen, bei denen die Ohren zu bluten beginnen, die Spannung in einem erlösenden Schlachtruf auf, dessen Wirkung nur mit "A wop bop a loo bop a lop bam boom!" von Little Richard verglichen werden kann: "Hyper Hyper! – Hyper! Hyper!"

160 Beats pro Minute bedeuten auf Hyper Hyper deutsche Marschmusik im Angriffsmodus. Knapp dreimal pro Sekunde ein Tritt in den Bauch statt als noch angenehm empfundene 120 Beats pro Minute nimmt als Zielgruppe naturgemäß eher die jungen revolutionären Kräfte als den altgedienten Veteranen der Woodstock-Generation ins Visier.

Scooter

H. P. Baxxter ist mehr Shouter als Sänger. Politische Dringlichkeit erzielt der Welterfolg "Hyper Hyper" auch durch den Megafoneffekt. Der Text wird gegen das System etwas hüftsteif wie selbstironisch mit aus Hollywood bekanntem, nazideutschem Akzent und im Kasernenhofton vorgetragen. Auch spätere Hits und dreizeilige Songtexte wie "How Much Is The Fish?", "Rebel Yell", "Fuck The Millennium" oder "I'm Your Pusher (Flieger, grüß mir die Sonne)" basieren auf diesem Konzept.

Gut bei Stimme!

Heute blickt H. P. Baxxter mit 55 Jahren auf eine immer noch weltweit die großen Hallen füllende Karriere als Schleifer des deutschen Kirtagstechno zurück. Dass seine Revolution zumindest auf individueller Ebene gesiegt hat, zeigen nicht nur schöne Nebenbeschäftigungen wie das Einlesen eines Hörbuchs mit Erzählungen Thomas Bernhards. Mittlerweile besitzt er neben zwei standesgemäßen Jack-Russell-Terriern auch einen Rolls-Royce. Der soll einem laut T. Rex in ihrem Song "Children of the Revolution" von 1972 auch guttun: "I drive a Rolls-Royce / 'Cos its good for my voice!" Man kann Scooter bei guter Stimme immer noch live erleben. (Christian Schachinger, 10.7.2019)